Eine Erfolgsgeschichte

Vom unaufhaltsamen Aufstieg der Campingbranche. Ein Blick zurück darauf, wie alles begann. Die Anfänge erkunden, beobachten, wie und was sich entwickelt hat, wie alles entstanden ist und warum das Prinzip Camping so erfolgreich wurde. Eine spannende Reise durch die Zeit.

Es war der Brite Thomas Hiram Holding, der um 1906 das Campieren, wie Camping früher genannt wurde, mit seinen Publikationen öffentlich und offiziell machte. In Deutschland waren es die Goldenen 20er-Jahre, die den Startschuss dafür gaben. Der 1. Weltkrieg war vorbei, Arbeiter und Arbeiterinnen hatten das erste Mal Anspruch auf Urlaub und so genossen immer mehr Deutsche ihre Freiheit draußen in der Natur. Die sogenannte Wochenendbewegung war entstanden – mit häufig selbstgebauten Zelten und etwas Proviant ging es raus in die Natur, Transportmittel war meist das Fahrrad. Das Ziel war unweit vom Zuhause, der nächste Waldrand oder die Wiese am nahegelegenen See. Komfort, wie wir ihn heute kennen, gab es nicht. Das störte aber niemanden, denn der Mensch war genügsam und mit wenigen Dingen glücklich und zufrieden. Zu dieser Zeit, genauer gesagt im Jahr 1931, erfand ein gewisser Arist Dethleffs ein „Wohnauto“. Es sollte die deutsche Antwort auf den „Reisewagen“ werden, wie der Vorläufer aus England damals hieß. Schuld an diesem neuen Haus am Haken war wohl die Frau von Dethleffs, denn sie forderte eine Lösung, um ihren Mann auf seinen Geschäftsreisen begleiten zu können. Wir danken es ihr!

Arist Dethleffs und seine Frau (Foto: Dethleffs)

Der 2. Weltkrieg setzte der ersten Campingbewegung dann aber ein jähes Ende. Erst gegen Ende der 1940er-Jahre war es wieder so weit. Der zweite Anlauf wurde genommen, Camping wiederentdeckt und das Go dafür gegeben, dieser Urlaubsform im Laufe der kommenden Jahrzehnte zu einer echten Erfolgsgeschichte zu verhelfen. Aber noch war es nicht so weit, alles stand am Anfang. Der Wiederaufbau, das beginnende Wirtschaftswunder und ein gewisser Wohlstand, der in die Gesellschaft zurückgekehrt war, erlaubte es den Menschen nun, wieder an Urlaub zu denken. Da lange Reisen damals noch eher selten waren, erfüllte Camping eben genau den Wunsch und die Möglichkeiten des „kleinen Mannes“. Da brauchte es nicht viel, da reichte des Bauers Wiese, eine Gitarre und ein Zelt – da wurde die kleine Stoffvilla zum Palast, die mitgebrachten Brote zum Festmahl. Das Equipment war spartanisch, fast verschwenderisch hingegegen die Gefühle und die Leidenschaft für diese Urlaubsform. Es gründeten sich die ersten Campingclubs, 1948 der Deutsche Camping Club (DCC), in Münster fand die erste Camping-Fachschau statt und in Essen begrüßte 1957 die erste Freizeitmesse ihre Besucher. Der erste VW Bulli lief vom Band, noch nicht ahnend, welches Statussymbol er in der Camping- und Freiheitsbewegung erlangen sollte.

Mit der Wirtschaft ging es weiter bergauf. 1960 waren bereits fast 20.000 Wohnwagen zugelassen und die ersten offiziellen Campingplätze öffneten in Deutschland ihre Pforten. Sanitäranlagen suchte man damals meist noch vergebens und geduscht wurde mit Gartenschlauch oder Gießkanne. Camping war zu diesem Zeitpunkt eher etwas für die Harten. Dann begann, begünstigt durch inzwischen einfachere Bedingungen, das große Reisen. Immer mehr Deutsche konnten sich ein Auto leisten und gönnten sich die Fahrt ins gelobte Land – nach Italien. Es gab einfach kein Halten mehr, der Tourismus wollte zum Boom werden. Ob mit Zelt oder mit stolz geschwellter Brust und eigenem Wohnwagen wurde der Brenner gemeistert.

„Campingglück 1960: ein Zelt, ein Schlafsack, ein Campingkocher und ein Schlauch zum Duschen. Fertig war die perfekte Auszeit draußen in der Natur.“

Mit Klappstuhl und Campingkocher ging es an den Gardasee oder ans Meer, nach Jesolo, Bibione und Caorle. Es war ein Jahrzehnt des Aufbruchs, des Fortschrittes und der Beginn eines Phänomens, das wir heute als Massentourismus kennen. In der DDR wurde FKK zum Kult und ein Must-have für den Campingurlaub und im Westen formte sich eine Bewegung, die als Hippie-FlowerPower-Bewegung in die Geschichte eingehen sollte. Sie machte den Bulli zum wohl kultigsten Wohnmobil aller Zeiten. In den 1970er-Jahren, als die Ölkrise, der Rücktritt von Nixon und die Auflösung der Beatles für Schlagzeilen sorgten, nahm die Fahrt der Campingbranche so richtig an Tempo auf. Der Industriezweig Camping wuchs und die ersten voll ausgestatteten Caravans liefen vom Band. Campingplätze bauten immer mehr Sanitärgebäude, die Perfektionierung der Anlagen schritt voran, um das Leben der Campingurlauber komfortabler zu machen. Es gab jetzt Stromanschluss, aus der Dusche kam warmes Wasser und schmutzige Wäsche wurde in Waschmaschinen abgeschoben. Das war dann wohl auch die Geburtsstunde der Dauercamper und die des Campingzwerges, der seither über Parzellen und Campingglück wacht. Und die Entwicklung eilte unaufhörlich weiter.

Seit den 1980er-Jahren wuchs die Schar der Campingfreunde stetig, die Branche machte sich endgültig einen Namen. Dennoch kämpfte sie auch zunehmend mit einem etwas spießigen Image. Schließlich gehörte es spätestens in den 1990er-Jahren zum guten Ton, im Terminal eines Flughafens auf die Mitflugmöglichkeit in ein fernes Land zu warten – aber doch bitte nicht, sich mit Zelt und Wohnwagen auf den Weg zu machen! Aber Camping wäre nicht Camping, wäre der letzte Lacher heute nicht aufseiten der Campingwirtschaft und ihrer Gäste (heute gibt es laut Statista rund 3.100 Campingplätze allein in Deutschland). Spätestens im Jahr 2010 war Camping dann, trotz aller Unkenrufe, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Menschen suchten wieder mehr das Bodenständige, die Frei- und Ungebundenheit. Sicherlich, mit dem Camping von einst hat es heute oft nicht mehr viel zu tun, aber das Campinggefühl ist wohl das gleiche geblieben. Aus der romantischen Zeltwiese ist ein beachtlicher Industriezweig erwachsen, aus dem Wohnwagen haben sich Luxuswohnmobile entwickelt, die wahre Wohnkomfortzonen sind, teils besser ausgestattet als so manche Wohnung.

„Campingglück 2020: ein Wohnmobil, ein Safarizelt, ein Campshop und Sanitäranlagen. Heute sind die Ansprüche an diese Urlaubsform gestiegen.“

Die Campingplätze haben aufgerüstet, bieten feste Mietobjekte an und sorgen dafür, dass es Urlaubern an nichts fehlt – denn Anspruch und Erwartungshaltung sind gestiegen, was sicherlich auch dem allgemeinen Konsumdenken und den Möglichkeiten geschuldet ist.
Als Anfang dieses Jahres Corona in unser Leben trat, wirkte es fast wie eine Zündschnur und puschte die Branche erneut nach vorne, machte sie zum Krisengewinner im Tourismussektor. Die autarke Urlaubsform war die perfekte Lösung für alle Reisesehnsüchte im Sommer 2020 und Campingplätze durften wohl noch nie so viele Gäste aus dem eigenen Land begrüßen. Eine Schar an Camperneulingen ist hinzugekommen und schaut man sich allein die Verkaufszahlen der Caravanbranche an, taucht die Frage auf, wo diese mobilen Behausungen wohl künftig alle stehen wollen. Sicher, die Deutschen werden irgendwann auch wieder ins Ausland reisen – aber das tun uns dann die Holländer und Schweizer zweifellos gleich und sie werden auf deutschen Campingplätzen wieder herzlich willkommen sein.

Es bleibt also weiterhin spannend, welche Entwicklung die Branche zukünftig nehmen wird. Vielleicht wird es neue Konzepte geben, vielleicht wird mehr Luxus einziehen, aber am Ende wird es im besten Fall immer eine traumhafte Urlaubsform direkt unterm Sternenhimmel bleiben. • (KW)

Einen ganz großen Dank an Bruno Syfrig und Swiss Oldie Camping für die Bereitstellung ihrer wundervollen Bilder zu diesem Artikel. Ein herzliches Grüezi in die Schweiz!
Fotos: Bruno Syfrig/Swiss Oldie Camping und Andreas Krebs/Swiss Oldie Club