Nachgefragt: Im Gespräch mit einem Kenner der Campingbranche

Eicke Schüürmann

16 Jahren ist Eicke Schüürmann der Kopf von LeadingCampings, Ende März hat er sein Zepter als Geschäftsführer übergeben. Bevor er sich nun bald einem neuen Lebensabschnitt widmen wird, wollten wir unbedingt noch mit ihm sprechen und haben gefragt: Wie steht die Branche da? Worauf sollte man bei Investitionen achten? Ist die Preisgestaltung veraltet?

CWH: Sie haben viele Jahre beobachten können, wie sich die Campingbranche entwickelt hat. Wo steht sie heute?
ES: Ich sehe, dass wir im Moment auf ein goldenes Zeitalter zusteuern. Allerdings bewirkt der Boom an Neuzulassungen von Campingmobilen auch, dass gerade in der Hauptsaison eine absolute Verknappung entsteht. Besonders in A-Sortierungen irren die Gäste ja inzwischen wie Maria und Josef auf der Suche nach einer Herberge durch die Gegend. Die Idee, die man früher vom Camping hatte, also zu sagen „Das Wetter ist schön, wir fahren irgendwohin“, funktioniert heute nicht mehr. Die Buchung des Sommerurlaubs sollte bereits ab November erfolgen, besonders dann, wenn der Gast in eine exponierte Gegend möchte – an den Bodensee, an die Küste oder in die Alpen. Diese beliebten und stark nachgefragten Ziele konterkarieren im Moment das gewachsene Bild vom Camping als freie Urlaubsform. Um das zu entzerren, brauchen wir ein breitgefächertes Angebot mit unterschiedlichsten Konzepten für alle individuellen Ansprüche – vom 5-Sterne-Platz bis zum naturnahen und relativ rudimentären Campingplatz.

CWH: Bei vielen Plätzen steht ein Generationswechsel oder eine Neuverpachtung an. Welche Tipps würden Sie den neuen Platzbetreibern mitgeben?
ES: Gerade wenn ein Betreiber ein Museumsstück übernimmt, muss er Geld in die Hand nehmen und investieren. Dafür braucht er vorab einen gut durchdachten Plan. Welche Gäste möchte er ansprechen, was will diese Zielgruppe, was braucht sie dringend, was braucht sie nicht unbedingt und was gar nicht? Das schafft Klarheit, welche Basics nötig sind und welche Dinge eventuell zurückgestellt werden können. Eine Marktanalyse ist dabei sehr hilfreich. Auch eine Konkurrenzanalyse ist von Vorteil. Welche Campingplätze gibt es noch in der Gegend? Was bieten diese? Womit kann ich mich mit guten Ideen von Ihnen abheben, um den eigenen USP (Anm. der Red.: Alleinstellungsmerkmal) zu entwickeln? Wo kann ich kooperieren? So kann der Platzbetreiber verhindern, dass er sich verzettelt. Auch sollte er perspektivisch in die Zukunft denken: Was ist zum Beispiel, wenn es in zehn Jahren nur noch E-Autos geben wird? Kurzum: Bei einer Übernahme oder auch einer Neugestaltung sollten Platzbetreiber vorab alles sehr gut durchleuchten, quasi unter die Fußmatte schauen – damit sich die Investitionen am Ende rechnen.

CWH: Braucht es immer die großen Investitionen, um einen Campingplatz attraktiv zu machen?
ES: Nein, es wäre ja furchtbar, wenn es nur noch 5-Sterne-Plätze gäbe. Gerade auch die „abgerockten“ Campingplätze haben eine unglaubliche Chance. Oft liegen sie ganz unaufgedonnert mitten in der Natur. Das spricht besonders die jungen Leute an. Es ist doch immer noch die gleiche Sehnsucht nach Freiheit und Lagerfeuer wie vor 60 Jahren. Wenn sich ein solcher Platz richtig positioniert und gut vermarktet, dann hat das sehr viel Potenzial.

CWH: Können rudimentäre Plätze komplett auf Investitionen verzichten?
ES: Nein, natürlich nicht. Ein Betreiber kann ja nicht sagen: „Ach, mein 40 Jahre altes Sanitärgebäude nenne ich jetzt einfach Vintage-Badehaus und spare mir die Sanierung.“ Damit zieht man natürlich keine Gäste an, auch jene nicht, die das ganz Einfache suchen. Das Sanitärgebäude sollte in einem gutem Zustand und auch hinsichtlich Umwelt- und Energiespartechnik gerüstet sein.

CWH: Kann es sich ein Campingplatz leisten, auf die Investition in Software zu verzichten und wie wichtig sind dabei Buchungsportale?
ES: Manchmal ist es fast wichtiger, in Software als in Hardware zu investieren. Es ist ein Irrtum zu denken, dass sich gerade die jüngere Generation, also der Gast von morgen, noch die Mühe macht, die Website eines Campingplatzes zu durchforsten. Innerhalb von drei Minuten muss unter der Glasscheibe seines Smartphones die Lösung zu finden sein. Es braucht also Buchungsplattformen. In diesen sauren Apfel beißen müssen die Betreiber beißen.

CWH: Verzetteln sich Platzbetreiber bei Investitionen?
ES: Ja, das kommt vor. Camping ist ja mittlerweile ein wirklich breites Feld. Das sieht man auch gerade beim Thema Glamping, ein Zug, auf den viele aufspringen. Wie schon gesagt, bei aller Neuerung ist ein gut durchdachtes Konzept unverzichtbar. Denn ohne große Erfahrung weiß zum Beispiel ein Neupächter ja nicht wirklich, was auf dem Platz funktioniert oder was nicht funktioniert. Hier ist eine Expertise durch einen Fachmann immer anzuraten.

CWH: Punkto Glamping, was sollte man bedenken, wenn man dieses Segment bedienen will?
ES: Wenn ein 2-Sterne-Platz für teures Geld eine Hütte oder ein Baumhaus aufstellt, ist das sicher noch kein Glamping, auch ein goldener Wasserhahn wird daran nichts ändern. Mit einer Sauna aus dem Baumarkt wird man auch nichts reißen. Da gibt man Geld aus, schafft aber keinen Wow-Effekt. Glamping braucht ein gutes Konzept, eben weil dieses Kunstwort keinen Anfang und kein Ende hat. Ich denke, dass Glamping eben auch ein Gefühl und nicht nur Hardware ist. Falsch wäre zu denken, nur weil Glamping gerade in und in aller Munde ist, nehme ich das auch noch mit. Besser ist es, erst einmal sein Kernangebot zu definieren und erst dann zu überlegen, welche weiteren Maßnahmen Sinn machen.

CWH: Wie sollte sich ein Campingplatz nach außen darstellen, um sich richtig zu positionieren?
ES: Was früher die Mund-zu-Mund-Propaganda war, sind heute die Gästebewertungen auf den Internetportalen. Das ist echtes Kapital für einen Platz. Gute Kommunikation ist also alles. Wer hier ehrliche und keine überkandidelten Angebote macht, also realistisch seinen USP in den Focus stellt, erreicht seine Zielgruppe und verhindert schlechte Bewertungen. Seit es Social-Media-Kanäle gibt, werden Gastgeber, die nicht die Wahrheit kommunizieren, sofort entlarvt. Wer mit Weitwinkel seinen Spucknapf zu einer Poollandschaft macht, hat schon verloren.

CWH: Wie wichtig ist das Thema Service auf Campingplätzen?
ES: Ich denke, dass die Servicequalität künftig eine zentrale Rolle spielen wird. Wir haben ja das Problem, dass Mitarbeiter rar sind und in der Pandemie laufend gegangen sind. Es ist extrem wichtig, dass wir uns da langfristig gut aufstellen. Auch eine gute Gästebetreuung ist unverzichtbar. Ein Platzbetreiber sollte Gastgeber mit viel Herzblut sein, sich auch nicht darüber beklagen, dass er in der Hauptsaison am Sonntagabend um 23 Uhr immer noch mit seinen Gästen reden muss.

CWH: Zu einem ganz anderen Thema. Ist es nicht langsam überfällig, an der Preisschraube zu drehen?
ES: Auf jeden Fall. Die vielen Einzelkämpfer verstellen manchmal den Blick aufs Große und Ganze. Camping war ja lange Zeit in der Aschenputtelecke des Tourismus, wurde nicht wirklich ernst genommen. Das hat sich gewandelt. Die Preisgestaltung ist aber leider noch nicht in der Neuzeit angekommen. Ich sage es einmal brachial: Es wird Zeit, Camping selbstbewusst mit einem grundlegend neuen Preisschild zu versehen und eher 50 statt 30 Euro pro Nacht zu verlangen. Sicher, manche Urlauber bleiben dann vielleicht weg, dafür stehen genügend andere vor den Schranken, denen der Preis egal ist. In Spanien oder Kroatien zahlen Urlauber in der Hauptsaison 80 oder 90 Euro. Davon sind wir hier meilenweit entfernt. Wenn wir in Deutschland einen vernünftigen Return on Investment bekommen wollen, müssen wir an der Preisschraube drehen. Die Tat0sache, dass es im Internet keine gedruckten Preislisten mehr gibt, bietet doch die Chance für Betreiber, etwas experimentierfreudiger zu werden und die Preise nach oben zu korrigieren. Im Notfall kann das Ganze in Echtzeit jederzeit wieder neu justiert werden.

CWH: Auch die einzelnen Gebühren sind ja ein undurchdringbarer Preisdschungel.
ES: Allerdings, die Preisgestaltung mit den ganzen zersplitterten Gebührenordnungen, die wir auf deutschen Campingplätzen noch haben, ist völlig vormodern. Die irrwitzigste Gebühr, die ich auf einem deutschen Campingplatz in der Preisliste gefunden habe, war die Feuerstellenbenutzungsgebühr. Das lassen Sie sich mal auf der Zunge zergehen oder versuchen Sie das ins Englische zu übersetzen oder gar einem ausländischen Gast zu erklären. Solche zersplitterten Einzelkosten machen zudem die Arbeit für einen Platzbetreiber und sein Personal nicht weniger, im Gegenteil.

CWH: Lieber Herr Schüürmann, nach 16 Jahren geben Sie Ihre Funktion als Geschäftsführer bei LeadingCampings auf. Wie fühlt sich das an?
ES: Fragen Sie mich das noch einmal im April, noch stecke ich ja voll drin. (lacht) Es war einfach an der Zeit, das Zepter an eine tolle Nachfolgerin zu übergeben. Ich wollte den Zeitpunkt nicht verpassen. Es ist besser zu gehen, wenn man noch vermisst wird, als wenn alle sagen „Mein Gott, endlich ist er weg.“ Auch privat ist der Zeitpunkt richtig. Ich werde zunächst mehr Ruhe genießen, reisen und auch wieder journalistisch arbeiten. Nur Däumchen drehen und Kreuzworträtsel lösen werde ich sicher nicht.

CWH: Wir sagen ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen, dass Sie Ihren neuen Lebensabschnitt in vollen Zügen genießen können und uns, dass Sie der Campingbranche nicht ganz verloren gehen. (KW)

Foto: Eicke Schüürmann, LeadingCampings