Nachgefragt

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Sie haben viel zu erzählen und wir sind ganz Ohr!

Wie geht es der Campingbranche seit dem Lockdown? Eine Bestandsaufnahme quer durch die Republik

Seit Öffnung aller Campingplätze in Deutschland sind einige Wochen vergangen. Wie gut hat der verspätete Saisonstart geklappt? Wir wollten es wissen und haben auf unsere Fragen viele interessante, informative und durchaus hoffnungsvolle Antworten erhalten. Entstanden ist ein landesweites Stimmungsbild, das den Zeitraum vom Beginn des Lockdowns bis nach den Pfingstferien widerspiegelt.

Corona legt das Leben lahm

Anfang des Jahres plante man noch Urlaubsreisen, suchte den geeigneten Campingplatz und war voller Vorfreude auf die erholsame Auszeit mit der Familie oder mit Freunden. Das Leben verlief in gewohnter Normalität. Man beschäftigte sich zunehmend mit dem Klimawandel und so war das Thema Camping – Urlaub ohne Fliegen – eine respektable Alternative.

Immer mehr Deutsche wollten diese Art Urlaub einfach mal ausprobieren und pushten so die Entwicklung und die Attraktivität von Campingplätzen immer weiter. Die Stimmung in der Branche war also gut und Platzbetreiber konnten entspannt in die neue Saison blicken. Zu diesem Zeitpunkt ahnte allerdings noch niemand, dass bald alles anders kommen, unser gewohntes Leben komplett aus den Fugen geraten sollte. Ein Virus namens Corona hatte sein Coming-out. Ohne Rücksicht auf Grenzen oder Nationen tobte es sich zunehmend in immer mehr Teilen unserer Welt aus. Dann die erste Fälle in Deutschland, kurz darauf der Lockdown. Nichts ging mehr, alles stand still. Gedanken an Urlaub waren ab diesem Zeitpunkt wie ein Traum aus „Tausendundeine Nacht“. Wie viele andere traf es auch die Campingbranche hart. Die Osterferien fielen aus, potenzielle Urlauber saßen frustriert zu Hause, Campingplätze fristeten ein verwaistes Dasein und ihren Betreibern blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten und Blicke in leere Reservierungsbücher und Kassen zu werfen. Der Lockdown traf jeden ins Herz und alle einten existenzielle Fragen: Wie geht es weiter? Wann dürfen wir wieder öffnen? Wie lange stehen wir das durch? „Wir sind ein Saisonbetrieb, schließen im Oktober“, erzählt Familie Eiermann vom Campingplatz Langenwald im Schwarzwald. „Wenn über den Sommer nichts läuft, wird es eng, wir generieren in diesen Monaten ja den Umsatz für das ganze Jahr“. „Die finanzielle Delle ist eben drin“, bestätigt auch Leander Lange vom Ostseecamp Seeblick. „Unsere Hausbank hat uns Gott sei Dank den Rücken gestärkt“. Wer also gute Rücklagen hatte, war klar im Vorteil. Aber nicht jeder, der nun in der Klemme steckte, weiß Markus Bertelmann vom Camping Öschlesee im Allgäu zu berichten, hatte schlecht gewirtschaftet, sondern vielleicht gerade Sanierungen und Umbauten realisiert und nun laufende Kredit zu bedienen. Ähnlich verhielt es sich bei Thomas Schweder, Campingplatz Juliusplate an der Weser: „Wir haben unseren Platz erst vor zweieinhalb Jahren übernommen und mussten flexibel umdenken, sonst hätten wir es nicht geschafft. Meine Frau hat ihre alte Arbeit wieder aufgenommen und ich habe mich um den Platz gekümmert. Die Dauercamper haben uns dann sprichwörtlich den Arsch gerettet.“ André Notka, See-Campingpark Neubäuer See im Bayrischer Wald, und Familie Heinz von der Historischen Mühle Vogelsang an der Mosel waren sich da ebenfalls einig: Dauercamper waren in dieser Zeit eine sichere Einnahmequelle. Familie Wagner vom Camping am See in Isny nahm den Ausnahmezustand trotz Schließung gelassen: „Wir hatten einfach mehr Freizeit“, sagt Frau Wager und lacht. Auch personaltechnisch war es keine leichte Zeit. Dana Hüttner vom Zweckverband Lausitzer Seenland in Brandenburg erzählt, dass sie 80 von ihren 120 Mitarbeitern in Kurzarbeit schicken und einen Einstellungsstopp verhängen musste. Heidrun Müller vom Camping Gitzenweiler Hof in Lindau reagierte eher pragmatisch und verrät, dass ihr Eventmanager in dieser Zeit mit Maßband und Zollstock unterwegs war, um Abstände zu vermessen. Die Mitarbeiter hätten zusammengehalten, ganz getreu dem Motto: „Zusammen schaffen wir das“. Die Problematik des Personals stellte sich bei einem Familienbetrieb zwar eher weniger. „Dennoch“, so sagt Familie Eiermann, „haben wir uns Gedanken gemacht. Wenn nur einer aus der Familie erkrankt, müssten wir schließen. Wir hatten für alles einen Plan B, für diese Situation allerdings nicht.“ Trotz aller Unsicherheit, die während des Lockdowns herrschte, war über allen Campingplätzen eine flächendeckende Stimmung erkennbar: positives Denken und ein vermehrter Zusammenhalt untereinander. Familie Heinz erzählt zum Beispiel von der Aktion „Leere Stühle“, die in Dresden ihren Ursprung nahm. „Bei uns in Koblenz haben alle Gastronomiebetriebe und auch viele Campingbetreiber mitgemacht und gemeinsam am Deutschen Eck leere Stühle aufgestellt. Wir sind alle richtig eng zusammengewachsen, haben WhatsApp-Gruppen gestartet und stehen in stetem Austausch, eine schöne und positive Erfahrung in dieser Zeit!“

Vor der Wiedereröffnung

Dann endlich die gute Nachricht. Urlaub im eigenen Land sollte wieder möglich werden. Nur wie konnte dieser aussehen? Welche Vorgaben würde es geben, welche Auflagen und welche Bestimmungen? Sicher, in Sachen Abstandsregelung und Hygienemaßnahmen konnten Campingplätze – als kontaktarme Urlaubsform – mit einem echten Plus punkten. Jeder bringt sein eigenes Gästezimmer samt Küche mit. „Camping ist doch Ausdruck für sicheren Urlaub“, findet Werner Wilhelm vom Camping Resort Zugspitze in Grainau. „Zudem“, sagt er, „sind die Parzellen zu einem Großteil so gestaltet, dass die Besucher den nötigen Abstand ganz problemlos einhalten können, auch die Anreise erfolgt ja individuell.“ Dennoch waren alle Campingplätze jetzt gefordert, ihre eigenen Hygienekonzepte zu erstellen. Die Sanitäranlagen waren der Knackpunkt. Viele Betreiber hatten aber bereits vor Corona in ihren Sanitärbereich investiert. „Bei uns ist alles kontaktlos“, erzählt André Notka, „da konnten wir ganz entspannt sein.“ Auch Familie Eiermann war dankbar für die vielen bereits vorhandenen Bäder und Sanitäranlagen. Einige Plätze nutzten auch die Möglichkeit, zusätzliche Mietkabinen aufzustellen, wie es Frank Hohage vom Camping Schwabenmühle im Taubertal getan hat. Er überlege sogar, ob das nicht auch langfristig eine gute Investition in die Zukunft wäre. Die Campingbranche stand also in den Startlöchern, aber unklare Bestimmungen und Regelungen seitens der Regierung und der Bundesländer machten die Sache kompliziert. „Wir mussten alle sehr flexibel reagieren, unser eigenes Hygienekonzept innerhalb kürzester Zeit an die offiziellen Bestimmungen anpassen“, erzählt Tobias Dämmig vom Strand-bad Breitungen an der Werra. Auch Herr Wilhelm empfand die Planungsphase als viel zu kurz. Diese varia-blen Bestimmungen ließen Platz für eigene Interpretationen. Wer durfte wann und was eröffnen und mit wie viel Kapazität den Platz belegen? Fragen, die jedes Bundesland anders beantwortet hat. Frau Müller erzählt, sie habe das Gefühl gehabt, wenn sie nicht an Corona erkranke, dann an der Papierflut. „Ich habe nur noch Gesetzestexte gelesen und mich schließlich auch an unseren österreichischen Nachbarn orientiert, die waren uns ja bereits zwei Wochen voraus.“ Auch wenn sich viele in dieser Zeit von Politik und Medien im Stich gelassen fühlten, nehmen es die meisten Betreiber dennoch gelassen: „Für uns alle war diese Situation neu, da mussten sich alle erst einmal hineinfinden, auch die Politik.“ Selbst der BVCD konnte zu diesem Zeitpunkt nur Empfehlungen und keine Regeln aussprechen. So wie die Betreiber waren aber auch die Gäste verunsichert, was zu einer Nachfrageflut von bis zu 400 E-Mails täglich führte. „Manchmal kamen wir gar nicht mehr hinterher“, sagte Katherina Kleingarn vom Inselcamp Fehmarn an der Ostsee. „Unsere Telefone standen einfach nicht mehr still, bis unsere Telefonanlage zusammengebrochen ist.“ Marlies Pinne von Campen am Fluss an der Weser kann da nur beipflichten und erzählt auch, dass sie diesen erhöhten Arbeitsaufwand natürlich nach Öffnung nicht an ihre Gäste weiterberechnet hat: „Wir haben einfach ein Coronasparschwein an der Rezeption aufgestellt.“

 

„Dank der digitalen Welt konnten wir unsere Gäste immer sehr schnell über neue Entwicklungen informieren.“ Leander Lange, Ostseecamp Seeblick

Die wiedergewonnene Freiheit

Als letztes Bundesland hieß es dann endlich auch am 30. Mai in Bayern: Schranken auf für Camping und Tourismus! Gerüstet mit Hygienehinweisschildern und jeder Menge Desinfektionsmitteln freuten sich nun alle Betreiber auf ihre Gäste und die Campingplätze auf die Erweckung aus dem Dornröschenschlaf. Nie war ein Start in die Campingsaison wohl emotionaler als in diesem Jahr. Auch wenn der Andrang über Pfingsten noch überschaubar war, wurden deutsche Campingplätze dann am darauffolgenden langen Wochenende förmlich überrannt. Das hat alle Bundesländer geeint, Urlauber waren einfach nur glücklich, endlich wieder raus zu dürfen und in Freiheit zu sein. Vielleicht auch mit ein Grund, dass der überwiegende Teil aller Gäste die Regelungen gut aufgenommen und sich ohne zu murren an die geforderten Hygienevorschriften gehalten hat. Auffällig war, dass kurzfristige und spontane Buchungen zugenommen haben, aber auch viel mehr Familien mit Kindern diese Urlaubsform für sich gewählt haben.

Fazit der Branche

„Die Deutschen haben ihr Land neu entdeckt“, erzählt Mario Harmsen vom Camping Holländischer Hof an der Mosel. „Hier bei uns, sicherlich war es überall anders ähnlich, haben viele Deutsche neue Urlaubswelten im eigenen Land entdeckt, waren begeistert, wie schön es hier ist, und haben gleich fürs nächste Jahr gebucht.“ Eine ähnliche Erfahrung hat auch Markus Bertelmann gemacht. „Früher hatten wir während der Pfingsttage viele koreanische Gäste. Dieses Jahr waren es vermehrt deutsche Urlauber aus den unterschiedlichsten Bundesländern, die zum ersten Mal bei uns im Allgäu waren.“ Ist das vielleicht ein neuer Trend – werden die Deutschen wieder häufiger das eigene Land als Urlaubsdomizil wählen? „Das Interesse steigt“, berichtet Maximilian Möhrle, Geschäftsführer der Plattform campinginfo.de: „Das Suchinteresse ist während der Pandemie um mehr als 20 % gestiegen. Waren es 2019 noch 42 %, stieg die Nachfrage 2020 auf 66 %. Zusammenfassend war es ein überaus gelungener, wenn auch verspäteter Saisonstart mit einer durchweg positiven Bilanz. Was die Zukunft bringen wird, bleibt abzuwarten.“ „Nach dem 11. September wollte auch niemand mehr fliegen“, erläutert Frau Müller, „das war im Jahr darauf aber schon wieder vergessen. Wir hoffen jetzt erst einmal auf eine gute Haupt- und Nachsaison und dass sich die Dinge weiterhin so positiv entwickeln.“ „Damit das auch so bleibt, ist weiterhin Vorsicht geboten. Man sollte jetzt nicht übertreiben und auf zu viel Kontakt verzichten“, rät Prof. Dr. Heinrich Lang, Sachverständiger für Camping- und Ferienparkwirtschaft. Auch Christian Günther vom BVCD sieht das so und ruft zur Besonnenheit auf (siehe Seite 6). Denn kommt es erneut zu einem Anstieg der Infektionszahlen, kann die neugewonnene Freiheit schnell ein jähes Ende nehmen.

Wir wünschen nun allen Campingplatzbetreibern und ihren Gästen schöne Sommerferien und bedanken uns bei allen, die uns ihre Zeit geschenkt und für ein Telefoninterview zur Verfügung gestanden haben:

Familie Eiermann, Campingplatz-Langenwald, Schwarzwald; Thomas Schweder, Campingplatz Juliusplate, Weser; Katherina Kleingarn, Inselcamp Fehmarn, Ostsee; André Notka, See-Campingpark Neubäuer See, Bayrischer Wald; Heidrun Müller, Camping Gitzenweiler Hof, Lindau; Familie Heinz, Historische Mühle Vogelsang, Mosel; Leander Lange, Ostseecamp Seeblick, Ostsee; Dana Hüttner, Zweckverband Lausitzer Seenland, Brandenburg; Tobias Dämmig, Strandbad Breitungen/Werra; Frank Hohage, Camping Schwabenmühle, Taubertal; Markus Bertelmann, Camping Öschlesee, Allgäu; Marlies Pinne, Campen am Fluss, Weser; Werner Wilhelm, Camping Resort Zugspitze; Mario Harmsen, Camping Holländischer Hof, Mosel; Familie Wagner, Camping am See, Isny (KW)

Fotocredit Ohr:  AdobeStock_285286400,  Frau mit Hut: AdobeStock_218544107