Der Camptalk mit Helmfried von Lüttichau

Eigentlich wollte er Rockmusiker werden und eigentlich sind wir froh, dass er sich damit „ein bisschen“ Zeit gelassen hat. Sonst hätte er uns nicht als sinnesfroher Polizist Johannes Staller in der Serie Hubert und Staller so viele Jahre zum Lachen gebracht. Helmfried von Lüttichau, der Schauspieler, Komiker und Lyriker, bringt nun seinen ungelebten Rockstartraum in unvergleichbarer Weise auf die Bühne: Mit E-Gitarre, Dialekten, Anekdoten, Zitaten und Sprüchen erzählt er, wie er kein Rockstar wurde und begeistert seit 2022 in der Königsdiziplin – als Alleinunterhalter. Großartig! Wir wollten mehr über ihn wissen.

CWH: Kurz gefragt: Mögen Sie Camping?
HvL: Sagen wir mal so, wenn es nicht auf einem Campingplatz stattfindet, dann ja. (lacht) Ich finde das Übernachten in der freien Natur toll, kenne das aus meiner Jugend, als ich mit Schlafsack und Rucksack unterwegs zwar. Zusammen mit einem Freund bin ich einmal in Griechenland am Rande, nein, fast in der Mitte einer Müllkippe aufgewacht. Peinlich, aber das kann passieren, wenn man am Abend zuvor nach zwei Litern Retsina nicht mehr so genau sieht, wo man den Schlafsack ausgerollt hat. Morgens hat uns eine hupende Autokolonne geweckt, deren Fahrer sich über uns zwei idiotischen Rucksacktouristen totgelacht haben. Auch hatte ich einmal Kontakt mit einer Kuh, die morgens, als ich auf einer Wiese erwacht bin, neben meinem Schlafsack stand und mir ins Gesicht geblasen hat. Das fand ich auch irgendwie sehr komisch.

CWH: Träumen Sie heute noch von solchen Naturerlebnissen, natürlich ohne Müllkippe und Kuh, dafür mit Wohnmobil?
HvL: Ja, in meiner romantischen Vorstellung würde ich gerne gemeinsam mit meiner Frau, mit Loni (Hund) und einem Wohnmobil in skandinavische Länder fahren und dort irgendwo alleine inmitten der Natur stehen, tags auf einen See und nachts in den Sternenhimmel blicken. Ob wir das jemals machen werden? Wir werden sehen.

CWH: Machen wir einen Schnitt und kommen zu Ihrer Vita als Schauspieler. Wie hat alles begonnen?
HvL: Ich habe als junger Mann den klassischen Weg gewählt und mich an der renommierten Falckenbergschule in München beworben.
CWH: … und sind auf Anhieb genommen worden!
HvL: Ja, das stimmt, obwohl man mich, bevor ich die Zusage hatte, sehr auf die Folter gespannt hat – was im Nachhinein natürlich sehr lustig war. Erst war ich irritiert, weil ich einen Prüfungstag auslassen durfte und dann hat mich auch noch die Sekretärin der Schule zappeln lassen. Obwohl sie genau wusste, dass ich angenommen war, ist sie ewig vor mir durch den Raum gelaufen und hat nachdenklich immerzu: „Lüttichau? Lüttichau?“ vor sich hin gemurmelt.
CWH: Humor ab der ersten Stunde.

CWH: Nach der Ausbildung wollten Sie ans Theater, nicht zum Fernsehen oder zum Film?
HvL: Mir war klar, ich gehe an ein Theater, fange in der Provinz an und arbeite mich nach oben. Fernsehen war damals am Theater ohnehin verpönt und Tatort war ein Schimpfwort. Es gab ja auch nur drei Fernsehsender. Während meiner Anfangszeit an den Kammerspielen in München hatte mich Michael Verhoeven für „Die Weiße Rose“ angefragt. Das habe ich aber nicht gemacht, weil ich fand, dass es sich nicht gehört, das erste Engagement zu kündigen.

CWH: Was Sie aber bereits zwei Jahre später getan haben. Sie haben gemerkt, dass Theater doch nichts für Sie ist?
HvL: Anfangs dachte ich hin und wieder, dass es an mir liegt, dass ich nur die richtigen Leute treffen oder an ein anderes Theater wechseln muss, um nicht unglücklich zu sein. Bis ich aber sicher wusste, das Theater nicht meins ist, hat es 15 Jahre gedauert. Da war ich bereits 40 Jahre alt.

CWH: Ihre eigentliche Karriere, diesmal beim Fernsehen, sollte dann noch einmal erst viele Jahre später richtig loslegen.
HvL: Ich war bereits über 50, als ich in der Kultserie „Der letzte Bulle“ mitgespielt habe. Ein paar Jahre später kam dann „Hubert und Staller“. Dass diese Serie dann derart durch die Decke ging, konnte ja anfangs niemand ahnen.

CWH: Wie kam das Dreamteam Hubert und Staller zustande? Über Christian Tramitz?
HvL: In gewisser Weise ja. Ich kenne Christian seit der Schulzeit, dann haben wir uns aus den Augen verloren, 2004 hat er mich über meine Agentur für eine Rolle bei „Tramitz and Friends“ angefragt. Sie hieß „Der Wilderer“. Text gab es keinen, aber in unverständlichem Bayerisch sollte sie angelegt sein. Christian war sicher, diesen Sketch nur mit mir spielen zu können, ich hatte sofort verstanden, was er will. Wir haben dann kurz vor dem Dreh im Auto geprobt und Stichpunkte festgelegt. Oliver Mielke, der später auch Hubert und Staller produziert hat, ist sofort die besondere Verbindung zwischen Christian und mir aufgefallen. Nach vielen weiteren Auftritten kannten wir uns irgendwann im Schlaf. Aus dieser Charakterkonstellation hat sich dann die Serie „Hubert und Staller“ entwickelt, die 2011 an den Start ging.

CWH: … und kurz darauf zu einer der erfolgreichsten Serien im deutschen Fernsehen wurde. Sorry, dass ich dazwischenplappere.
HvL: (lacht) Unterbrechen Sie mich bitte, denn ich rede ja sehr gerne viel.

CWH: Karl Valentin ist ein großes Vorbild von Ihnen, wie viel Valentin steckte im Staller?
HvL: Karl Valentin hat mich seit meiner Jugend fasziniert, ich habe früher viele Sketche von ihm nachgespielt, auch im Theater hat er mich begleitet. Ich habe bei meinen Rollen oft meine Komik daraus gezogen, dass einer eine Sache nicht kann, scheitert und trotzdem weitermacht – die klassische Komikerfigur eben. Insofern hat Valentin, wenn auch unbewusst, vielleicht ein bisserl beim Staller mitgeschwungen.

CWH: Trotz allem Erfolg haben Sie die Serie 2018 verlassen – ohne einen wirklichen Plan zu haben, wie es weitergeht. Das würde ich mal mutig nennen. Wo nimmt man so viel Grundvertrauen her?
HvL: Das weiß ich auch nicht. (lacht) Ich habe solche Entscheidungen häufig in meinem Leben gefällt, oft ohne etwas Neues zu haben und bin damit auch hin und wieder auf die Nase geflogen. Mut würde ich es vielleicht nicht nennen, vielleicht ist es meine Veranlagung. Ich habe da eine komische Abenteuerlust, ich fand den Gedanken, noch einmal etwas anderes zu machen, sehr beglückend. Nach Hubert und Staller war ich natürlich insoweit abgesichert, dass ich wusste, ich kann die Miete zahlen, auch wenn nicht gleich was Neues kommt. Ich dachte auch nicht, dass jetzt, nach meinem Ausstieg, die großen Kinoangebote kommen. Mir war klar, dass vielleicht kein Hahn nach mir kräht und keine Produzenten Schlange stehen. Aber ich wusste: Ich will einen Neustart. Ich habe erst einmal mit Lesungen und literarischen Projekten begonnen, wo es genau hingehen sollte, wusste ich damals aber noch nicht.

CWT: Von Christian Tramitz kam hinsichtlich Ihrer lyrischen Ader ja ein wunderbares Kompliment.
HTL: Stimmt, ich hatte ihn gebeten, mir zu Werbezwecken für meinen Gedichtband „Was mache ich, wenn ich glücklich bin?“ ein paar Zeilen zu schreiben.

„Ich bin kein großer Freund von Lyrik – aber wenn ich höre, dass Lüttichau Gedichte schreibt, dann würde ich die sogar heimlich unter der Bettdecke lesen.“ Christian Tramitz

CWT: Seit 2022 sind Sie nun mit Ihrem wunderbaren Soloprogramm „Plugged“ gestartet, in dem Sie all Ihre Erfahrungen und Talente bedienen und endlich die Bühne rocken dürfen. E-Gitarre haben Sie inzwischen gelernt und erfüllen sich quasi Ihren Jugendrockmusikertraum auf der Bühne.
HvL: Ich darf nun meine missglückte Musikausbildung ausleben, herrlich! Mit Blockflöte hat es als Kind angefangen, da war ich noch ganz gut, mit Geige hat das schon nicht mehr funktioniert, jetzt ist die E-Gitarre dran.

Sehenswert: Helmfried von Lüttichau in seinem Element auf der Bühne. Foto: Susie Knoll

CWH: Auch Ihren Spaß an Sprache und Dialekt können Sie nun komplett auf der Bühne ausleben. Obwohl Sie in Hannover geboren wurden, beherrschen Sie Bayerisch perfekt und sogar als Italiener sind Sie in dem Kinofilm „Pünktchen und Anton“ von Caroline Link überzeugend durchgegangen.
HvL: Stimmt, ich war in dem Film Giovanni, der Eisverkäufer, und wohl so überzeugend, dass nach Drehschluss ein Mann zu mir kam und mich in deutlich ausgesprochenem Bayerisch fragte: „Chef, kann ich von dir eine Kugel Eis kriegen?“
CWH: Sehr schade, dass man Sie beim Lesen nicht hören kann.

CWH: Sie sind ja nun doch häufiger unterwegs. Wie findet das Ihre Frau? Und mögen Sie dieses Vagabundenleben, wenn Sie während der Tour jeden Tag an einem anderen Ort sind?
HvL: Ich konnte mir zu Beginn ja nicht vorstellen, dass ich so viel gebucht werde, aber ja, das ist in der Tat eine Umstellung. Damit müssen meine Frau und ich lernen umzugehen. Den Touralltag bestreite ich alleine, dann sind wir oft an getrennten Orten und unser Kontakt findet dann nur übers Telefon statt. Zu bestimmten Terminen (Berlin, Hamburg oder Wien) kommt meine Frau mit. Ich bin allerdings gerne auch manchmal alleine mit mir, ich mag es, durch die Gegend zu fahren und immer irgendwo anders anzukommen. Das ist ein Bedürfnis, das sich durch meine Auftritte noch zusätzlich erfüllt hat.
CWH: Und ein wenig Camperfeeling bringt das auch ins Heft.

CWH: Ganz etwas anderes: Ich hatte in unserem letzten Magazin den Hundetrainer Martin Rütter als Interviewpartner. Ihn brauchen Sie definitiv nicht, wenn man Sie zusammen mit Ihrer wunderschönen Hündin Loni sieht.
HvL: Anfangs war die Erziehung von Loni wirklich mit richtig viel Arbeit, Mühe und auch Frustration verbunden. Ich bin aber drangeblieben, da ich beharrlich und auch ein bisschen ein Streber bin. Insofern bin ich jetzt ganz stolz, dass ich Loni überall mit hinnehmen kann, sie ist total entspannt.

Ein tolles Team: von Lüttichau mit seiner 10-jährigen Hündin Loni. Foto: Helmfried von Lüttichau, privat

CWH: Darf ich zum Schuss bitte noch auf ein ernstes Thema kommen? Vor 15 Jahren haben Sie Ihre erste Frau in den Tod begleitet. Heute engagieren Sie sich für die Deutsche Palliativstiftung.
HvL: Nachdem ich erleben durfte, welcher Segen die Palliativversorgung ist, habe ich gedacht: „Sollte ich jemals prominent werden (was damals noch in keinster Weise absehbar war), dann will ich mich für Hospiz- und Palliativmedizin einsetzen und versuchen, dieses Thema auf meine Weise mehr publik zu machen. Immer noch wissen viel zu wenig Menschen, welche Möglichkeiten diese Medizin hat, um einen qualvollen Tod zu verhindern. Ich bin dankbar, dass ich das miterleben durfte.

CWH: Hat das Ihre eigene Angst vor dem Tod verändert?
HvL: Auf jeden Fall. Ich kann natürlich nicht meine Hände dafür ins Feuer legen, wie es sein wird, wenn ich dem eigenen Tod unmittelbar gegenüberstehe. Dann wünsche ich mir, dass ich auf irgendeine Weise gut damit umgehen und ihn akzeptieren kann. Das ist für mich noch ein Lebensziel, aber garantieren kann das niemand.

CWH: Leider müssen wir zum Ende kommen. Ganz herzlichen Dank für das schöne, inspirierende und humorvolle Gespräch! Und natürlich die allerbesten Wünsche für viele weitere spannende Projekte!

Foto: Hans Grünthaler

Titelfoto: Susie Knoll

In seinem Soloprogramm „Plugged“ darf Helmfried von Lüttichau seine Begabung zur Ungeschicklichkeit ausleben, die Blockflöte gegen die E-Gitarre tauschen und sicher sein, dass ihn das Publikum liebt. Ab Herbst startet seine neue Tour. Wer nicht bis Oktober warten möchte, kann ihn bei ausgewählten Terminen auch in der tourfreien Zeit genießen. Mehr Infos unter: Mehr Infos unter: agenturknoch.de

(Das Interview führte Chefredakteurin Karin Werner)