Im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern liegt malerisch in weißen Dünen einer der schönsten Campingplätze Deutschlands. Dort steht aktuell aber alles andere als Idylle auf der Tagesordnung. Hier wird gekündigt, gestritten und geklagt – eine gütliche Einigung ist aktuell nicht in Sicht. Wie konnte es so weit kommen, dass kurz vor Start in die Campingsaison 2024 eine solche Fede losgetreten wurde, die schlussendlich nicht nur die direkt beteiligten Parteien, sondern auch viele Dritte wie z. B. die Camper betrifft? Der Rechtsstreit, der hier die Gemüter erregt, wird kontrovers gesehen, hat unterschiedliche Standpunkte und ist für Außenstehende schwer zu durchblicken. Was ist passiert? Wer hat Recht, wer ist Opfer, wer ist Täter? Ist der Nationalpark nur Mittel zum Zweck oder ist der Naturschutz wirklich der ausschlaggebende Grund für die Auseinandersetzung auf dem Campingplatz, der noch Regenbogen Camping Prerow heißt? Wir wollen uns kein Urteil erlauben, aber reflektieren, was alle Beteiligten zu sagen haben. Sie, liebe Leser, dürfen sich am Ende des Artikels gerne Ihr eigenes Bild dazu machen.
Der Campingplatz Prerow entstand zu DDR-Zeiten, wurde 1991 für 25 Jahre an die Regenbogen AG, damals noch eine GmbH, verpachtet. Erst von der Gemeinde, dann von der Treuhand unter Mitwirkung des Umweltministeriums. Dieses Areal besaß auch Landungsflächen, für die aber der Bund zuständig war. Daher wurde ein weiterer Vertrag über 25 Jahre geschlossen. Zweiter Verpächter wurde der Bund in damaliger Gestalt der Oberfinanzdirektion. Zu diesem Zweck wurde eine Institution, die BIMA (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) gegründet. 2017 wurde mit der Treuhand eine weitere Option mit der Regenbogen AG gezogen, die das Pachtverhältnis somit um weitere 25 Jahre, also bis 2042 verlängert hat. Das Pachtverhältnis mit der BIMA ist nach Ablauf der 25 Jahre immer nur noch um ein weiteres Jahr verlängert worden. 2022 wurde dieser größte Teil der 47 Hektar großen Fläche vom Land Mecklenburg-Vorpommern der BIMA abgekauft und der Stiftung Umwelt und Naturschutz Mecklenburg-Vorpommern (StUN) übertragen. Diese ließ den Pachtvertrag zum 31.12.2023 auslaufen und kündigte der Regenbogen AG. Es gab ein Interessensbekundungsverfahren, ein neuer Pächter wurde gesucht, den Zuschlag bekam ein junges Unternehmen aus Hamburg, Camper’s Friend. Dagegen klagt das bisherige Unternehmen, hat den Platz bislang auch nicht verlassen und sieht sich nun einer Räumungsklage gegenüber. Auch das von der Treuhand verpachtete Teilstück (circa 9,5 Hektar) ist nun gekündigt worden. Das Treuhandvermögen in Form des Areals, das hier Jahrzehnte verwaltet und entsprechend an Regenbogen verpachtet war, wurde – nach einem langen Rechtsstreit – zwischenzeitlich an das Land Mecklenburg-Vorpommern übertragen. Es ging um Preußenvermögen und es stand die Frage, ob es in Landes- oder Bundesvermögen übergehen soll, im Raum. Letztendlich ist das Land Eigentümerin geworden. Dieses sieht die Verlängerung des Pachtvertrages bis 2042 wohl juristisch als ungültig an und rechtfertigt so die Kündigung dieser Teilfläche.
Standpunkt: Land Mecklenburg-Vorpommern
Die Suche nach einem neuen Pächter wurde unter anderem damit begründet, dass die intensive Nutzung des Strandabschnittes in den letzten Jahren oft zu erheblichen Beeinträchtigungen der Biotope geführt hatte. Immer wieder soll es Verstöße gegen Naturschutz, Forstrecht und Nationalparkverordnung gegeben haben. Auch das Dauercamping habe Ausmaße angenommen, die nicht mehr tragbar waren. Mit der Übertragung der Fläche aus dem Eigentum des Bundes an die StUN sei eine wirkungsvolle Ausgangslage geschaffen worden, um mit einem neuen Konzept auch dem Naturschutz gerecht werden zu können. Dies sei in der Zusammenarbeit mit den bisherigen Verpächtern schwerfällig und suboptimal gelaufen. Claus Tantzen, Pressesprecher Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt MV: „Fakt ist, dass der Betrieb, so wie er die letzten Jahre auf dem Campingplatz abgelaufen ist, nicht mit den Zielen des Nationalparks zu vereinbaren war. Daher hat es, nach Übergang der Besitzflächen auf Stiftung und Land, ein Interessenbekundungsverfahren gegeben, um einen neuen Betreiber zu finden, der den Platz so führen wird, dass die Ziele für den Nationalpark stimmen. Die Stiftung hat versucht, sich mit der Regenbogen AG dahingehend zu einigen, dass sie den Platz in diesem Jahr noch betreiben kann, um ihn im kommenden Jahr geordnet übergeben zu können. Das wollte die Regenbogen AG aber nicht. Deswegen hat die Stiftung auf Räumung geklagt, damit sie ihr Eigentum übernehmen kann. Wir versuchen nun eine gütliche Abwicklung zu ermöglichen und eine außergerichtliche Lösung zu finden, die für alle tragbar ist. Es bleibt zu hoffen, dass das Ganze nicht auf einem jahrelangen Rechtsstreit rauslaufen wird. Es ist augenblicklich für alle, auch für mich als Sprecher, schwierig, über die Situation zu sprechen. Auch bei der Kündigung, die unsere Teilfläche (ehemals von der Treuhand verwaltet) betrifft, befinden wir uns gerade in einem juristischen Klein-Klein, sodass ich mich hierzu nicht äußern kann. Es wird weitere Gespräche mit allen Beteiligten geben. Wir haben uns mit der Regenbogen AG darauf geeinigt, nicht öffentlich übereinander herzuziehen und kein Porzellan zu zerschlagen. Natürlich gibt es momentan eine Verunsicherung bei den Campern, den Gewerbetreibenden auf dem Platz und bei der Gemeinde, die durch den Campingplatz natürlich auch Kurtaxe und Gewerbeeinnahmen hat. Mit allen diesen Leuten wird aber gesprochen. Auch hatten wir, gemeinsam mit Minister Till Backhaus, eine Abordnung der Camper zu Gesprächen bei uns im Haus.“
Standpunkt: Gerd Scharmberg, Bürgermeister der Gemeinde Born a. Darß
„Wenn man weiß, dass dieser Campingplatz unter Mitwirkung des damaligen Umweltministeriums 1993/94 einen 25-jährigen Pachtvertrag bekommen hat, kann man ja nicht davon ausgehen, dass dieser Campingplatz den Zielsetzungen des Nationalparks im Wege gestanden hat. Wenn dieser Platz jetzt plötzlich verkleinert an einen andere Betreiber gehen soll und das Gerangel nun auch noch zu Lasten Drittbetroffener geht, dann sage ich mal burschikos, dass da jemand wohl Hand anlegen wollte. Betroffen sind all die Menschen, die für den Sommer auf einen ordentlichen Urlaub vertrauen möchten, all die Mitarbeiter und Konzessionäre auf dem Platz und letztendlich auch wir als Gemeinde, die auf einen funktionierenden Betrieb des Campingplatzes angewiesen ist. Davon ist die Finanzierung unseres Kurbetriebes abhängig, 40 Prozent der Jahreseinnahmen an Kurtaxe hat die Gemeinde Born a. Darß an diesem Campingplatz generiert. Als das Interessenbekundungsverfahren im Frühjahr 2023 publik wurde, hat sich auch das Gemeindebündnis Prerow, Born a. Darß und Wieck a. Darß beworben. Bereits beim ersten Gespräch wurde uns mitgeteilt, dass wir keine Leistungsfähigkeit nachweisen konnten. Ein Unding! In den 30 Jahren Entwicklung nach der Wende wurden hier nach und nach aus einfach strukturierten Dörfern Neuzeitgebilde, zig Millionen wurden in Abwasserentsorgung, Strukturaufbau und Straßen gesteckt und dann zu sagen, diese Gemeinden seien nicht leistungsfähig – also dazu gehört schon eine gewisse … Ich bin der Ansicht, dass man, ohne dass sich die Regenbogen AG etwas Schwerwiegendes zuschulden hat kommen lassen, nicht einfach nach so vielen Jahren sagen kann: ‚So, jetzt wollen wir hier einen anderen Pächter haben, tschüss, ihr könnt nach Hause gehen‘. Das ist in Zeiten, in denen die Wirtschaft ohnehin vor schwierigen Aufgaben steht, milde ausgedrückt ungut. Ich bin seit 20 Jahren Bürgermeister und habe immer gesagt, dass Ökonomie, Ökologie und Soziales Hand in Hand gehen müssen. Die Art und Weise aber, wie mit den Betroffenen gerade umgegangen wird, zeigt, dass hier Ökonomie und Soziales wohl der Ökologie opfert werden. Ein solches staatliches Vorgehen gegen ein privates Unternehmen hätte ich in diesem Land nicht erwartet, das sage ich ganz ehrlich!“
Standpunkt: Stiftung, Björn Schwake
„Als wir als Landesstiftung ins Eigentum der Flächen gekommen sind, hatten wir die einmalige Chance, einen neuen Pächter zu suchen und konnten so ganz anders Einfluss nehmen, wie der Campingplatz künftig betrieben werden soll. Neben umweltrelevanten Themen werden wir den Platz auch ein wenig kleiner machen, von 1.200 auf unter 800 Stellplätze reduzieren. Das wurde bereits verpflichtend im Kaufvertrag fixiert. Zusammen mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern haben wir einen neuen Betreiber mit einem überzeugenden nachhaltigen Konzept gesucht. Dazu gab es ein zweistufiges Interessenbekundungsverfahren, das in einem offenen Verfahren ausgeschrieben wurde. Bereits in dieser Phase hat die Regenbogen AG bei der Vergabekammer und in nächster Instanz gegen das Vergabeverfahren geklagt, ist aber beide Male abgewiesen worden. Unsere Räumungsklage nun ist sehr eindeutig, denn der Pachtvertrag über unsere Stiftungsfläche ist zum 31.12.2023 ausgelaufen. In dem Pachtvertrag der Treuhand, in den nun das Land eingestiegen ist, haben die Juristen der Regenbogen AG Ecken gefunden, in die sie juristisch eingehakt haben und der Kündigung widersprochen haben. Details hierzu kann Ihnen das Land besser geben. Unser Ziel war es, am 1.1.24 den neuen Pächter auf der Fläche zu installieren. Regenbogen weigert sich aber bislang, die Fläche zu räumen. Zieht sich der Rechtsstreit durch alle Instanzen, was vier bis sechs Jahre dauern kann, könnte die Regenbogen AG quasi so lange weiter agieren. Aus unsere Sicht heißt das, dass dann nur Geld herausgezogen, nichts investiert und auf Verschleiß gefahren wird – und zudem nichts von nachhaltigen Konzepten für den Nationalpark umgesetzt wird. Wir wollen auch weg vom klassischen Dauercamping à la ‚my home is my castle“, … und noch eine Trasse. Letztendlich wollen wir ein Bild installieren, das man aus den 60er-Jahren kennt: Zelt, Wohnwagen, Windschutz, drei Klappstühle und fertig. Auch wollen wir kein Schickimicki-, sondern ein Familienplatz werden, wo auch die Dauercamper ihr Dasein haben, aber eben alles in Maßen. Wir hoffen nun auf eine gütliche Einigung im Sinne aller.“
Standpunkt: Regenbogen AG
„Sollte die Räumungsklage der Stiftung für ihre Teilfläche gegen uns erfolgreich sein, würde dies unweigerlich zu einer Teilung des Campingplatzes führen. Diese rein auf die Fläche der Stiftung isolierte Betrachtung ist kontraproduktiv und sorgt für viel Unsicherheit. Uns geht es darum, den Campingplatz als eine Einheit zu wahren, wie es sie seit 70 Jahren gibt. Es handelt sich hier um ein echtes Kulturgut. Am 18. Januar saßen wir in einem mehrstündigen Termin mit Stiftung und Land unter Leitung von Herrn Minister Dr. Backhaus zusammen und hatten das gute Gefühl, gemeinsam eine Lösung erarbeiten zu können. Stattdessen gab es keine Lösung für uns, sondern die Räumungsklage der Stiftung. Das Angebot der Stiftung, die Teilfläche bis zum Jahresende 2024 fortzuführen unter der Bedingung, diese Fläche danach geordnet zu übergeben, war für uns kein echtes Angebot. Wir sollten eine Vollstreckungsunterwerfung unterschreiben, unabhängig davon, wie die anderen Streitigkeiten ausgehen oder gerade laufen. Das war für uns keine Option. Die Rechtsstreitigkeiten werden erfahrungsgemäß lange dauern und so geht es uns bei allem auch um Sicherheit für unsere Gäste. Wir haben erstmalig nicht, wie sonst üblich, den gesamten Betrag gefordert, sondern eine Ratenzahlung angeboten. Zudem haben wir mehrfach betont, dass wir selbstverständlich anteilig zurückbezahlen, wenn wir tatsächlich räumen müssten. Liest man Medienberichte, könnte man den Eindruck bekommen, dass wir keinen Cent investieren, sondern nur Geld aus dem Platz ziehen. Das stimmt nicht, wir kümmern uns kontinuierlich und seit 2015 präsentieren wir Konzepte und Ideen für einen nachhaltigen Tourismus auf dem RegenbogenCamp in Prerow. Wir standen und stehen weiterhin bereit, hohe Summen in den Standort zu investieren. Hierfür brauchen wir aber Rechtssicherheit, die wir jedoch seit Jahren nicht haben. Davon unabhängig haben wir jedes Jahr in den Standort investiert, zuletzt sogar Förderungen für unsere Investitionen in Prerow vom Land bewilligt bekommen. Übrigens vom gleichen Land, welches uns ein Jahr später nun vertreiben möchte. Wie das zusammenpasst, müssen andere beantworten. Wir führen weiterhin Gespräche mit allen Beteiligten und stehen bereit für ernst gemeinte und konstruktive Lösungen.“
Standpunkt: Jens Köhler, Camper’s Friend GmbH, Ahoi Bullis & Camps
„Wir stehen weiterhin zum Campingplatz in Prerow, mehr kann ich im Moment aber leider nicht sagen. Auch wenn um den Zuschlag noch von dritter Seite gestritten wird, sind wir zuversichtlich, zeitnah beginnen zu können.“
Standpunkt: Peer Globisch, Sprecher für die Dauercamper
Die Situation, wie auch die gesamte Vorgehensweise, ist unerträglich und suspekt. Wir wurden bewusst von allen Entscheidungsprozessen ferngehalten, ein Treffen mit Land und Minister fand erst nach mehrmaligen Anfragen unsererseits statt. Als letztes Jahr das erste Areal geschlossen und den Dauercampern dort gekündigt wurde, gab es richtige Dramen, viele sind bereits seit DDR-Zeiten in den Sommermonaten auf dem Platz, ganze Gemeinschaften wurden auseinandergerissen. Alles unter dem Vorwand des Naturschutzes. Wir haben ein Gutachten anfertigen lassen, das die Behauptungen des Landes widerlegt: Wenn hier die Camper vertrieben werden, verschwinden auch die Weißdünen, denn sie bewalden, wenn sie freigezogen werden. Dann gibt es das, was den Nationalpark ausmacht, nach und nach nicht mehr. Die Unterstellung, dass wir Dauercamper den Naturschutz gefährden, ist vorgeschoben. Natürlich, ein paar schwarze Schafe gibt es überall, aber 90 Prozent aller Dauercamper haben hier sicher keine Verbrechen an der Natur begangen – im Gegenteil. Wir alle sind ja genau wegen dieser Natur hier, warum sollten wir sie zerstören wollen? Wir wären auch alle gerne bereit gewesen, Vorschriften im eigenen Interesse umzusetzen. Diese gab es aber nie! Die Regenbogen AG hat ohnehin niemals in den vergangen Jahrzehnten mit uns gesprochen. Wir sind ganz und gar nicht traurig, wenn die alten Pächter gehen. Es versteht nur niemand, warum ein externes Unternehmen den Zuschlag bekommen hat und der Zuschlag nicht an die Gemeinde ging. Oder an die Stiftung, übrigens ein Werkzeug des Landes, die das Geld im Land halten und in den Nationalpark und den Naturschutz hätte investieren können. Unterm Strich sind es doch wir, die Camper, die hier alles bezahlen: die Millionengewinne der Regenbogen AG, die Kurtaxe für die Gemeinde Born und die Umsätze der Gewerbetreibenden auf dem Platz. Diese Vorgehensweise ist ein Spiegelbild der Politik in diesem Lande. Die kommende Saison wird sicher für uns alle ruppig werden. (KW)
Wir bleiben dran und berichten weiter, wie sich der Streit auf dem Campingplatz Prerow weiterentwickeln wird.