Der Camptalk mit Max Raabe

Foto: Gregor Hohenberg

Das Interview führte Karin Werner, Chefredakteurin CAMPINGWIRTSCHAFT HEUTE

Musikalisch verkörpert er die 20er- und 30er-Jahre wie kein anderer und begeistert, ohne mit der Wimper zu zucken, seit Jahrzehnten ein weltweites Publikum. Letzten Oktober ist sein neues Album „Wer hat hier schlechte Laune?“ erschienen, mit dem Max Raabe zusammen mit seinem Palast Orchester seit Januar auf Tour ist. Wir durften mit ihm sprechen, haben ihn gefragt, was er vom Campen hält, wie seine Karriere begann, warum er eine Hummel streicheln möchte und welche Rolle Rosenkohl beim neuen Album spielt.

CWH: Gehen Sie campen, Herr Raabe?
MR: Früher ja. Ich war bei den Pfadfindern und zu dieser Zeit oft mit einem sehr spartanischen Zelt unterwegs. Später habe ich das Zelten während meiner Wanderungen in Italien noch mal ausprobiert. Irgendwann hatte ich aber keine Lust mehr, das Zelt aufzubauen und habe lieber im Schlafsack unter freiem Himmel geschlafen. Bei späteren Touren habe ich es dann gar nicht mehr mitgenommen.

CWH: Waren Sie schon einmal auf einem klassischen Campingplatz?
MR: Nein, das habe ich nie ausprobiert, das stand nie zur Debatte.

CWH: Auch nicht mit Fahrrad und Zeltanhänger?
MR: Nein, ich denke eher nicht. Was ich aber gerne noch einmal machen möchte, ist eine Hüttenwanderung – mit Übernachtung in einem dieser riesigen Schlafsäle, in denen alle schnarchend Schulter an Schulter nebeneinander in ihren Schlafsäcken liegen.

CWH: Was halten Sie vom aktuellen Campingboom und den vielen neuen Wohnmobilen?
MR: Ich kann mir da per se kein Urteil erlauben. Campingplätze kenne ich nur vom Vorbeifahren und Wohnmobile nur von außen. Camping ist ja eine ganz eigene Welt, da tickt sicher auch jeder ganz individuell. Ich kann die Entwicklung der Campermobile nur staunend beobachten. Es ist aber wie mit allen Dingen: Wenn sie zu groß werden, fehlt irgendwann die Nähe zur Natur.

CWH: Seit 2022 sind Sie endlich wieder live auf Tour und haben im Oktober das neue Album „Wer hat hier schlechte Laune?“ herausgebracht.
MR: Letztes Jahr haben wir 100 Konzerte „Guten Tag, liebes Glück“ nachgeholt, die wegen Corona verschoben werden mussten. Wir waren sogar in Skandinavien – in Schweden und in Finnland, haben viele Länder innerhalb kürzester Zeit besucht. Seit Januar touren wir nun mit unserem neuen Album „Wer hat hier schlechte Laune?“. Natürlich ist momentan viel los, aber nach Corona ist es sehr schön zu sehen, dass es wieder weitergeht.

CWH: Das klingt dennoch anstrengend.
MR: Die Arbeit mit der Musik und das Schreiben machen wahnsinnigen Spaß. Anstrengend an unserem Berufsleben ist nur die Fahrerei während einer Konzerttournee. Meistens nehmen wir Zug oder Bus, wenn es gar nicht anders geht, auch mal das Flugzeug. Gefühlt hat aber alles, was uns fortbewegt, grundsätzlich mindestens eine halbe Stunde Verspätung. Auch wenn wir noch so pünktlich starten, ist alles um uns herum manches Mal ein heilloses Chaos.

CWH: Für das neue Album haben Sie zusammen mit Annette Humpe auch den Titelsong für die vierte Staffel von „Babylon Berlin“ geschrieben. Wie kam es dazu?
MR: Tom Tykwer, der Regisseur, mochte die Lieder, die ich zusammen mit Annette geschrieben habe. Als während Corona alles brach lag, kam er auf uns zu und fragte, ob wir uns vorstellen können, etwas für „Babylon Berlin“ zu schreiben. Das war für uns, mitten im Coronastillstand, ein echter Blick nach vorne. Wir haben es sehr genossen, hatten auch gleich gute Ideen. Entstanden ist der Titelsong „Ein Tag wie Gold“. Er transportiert die Euphorie, spiegelt die Stimmung in der internationalen Metropole Berlin in der Weimarer Republik wieder. Ein Tanz auf dem Vulkan, ausschweifend und wild. Einerseits ist es ein sehr modernes Stück, andererseits wollten wir natürlich auch die Haltung von „Babylon Berlin“ aufnehmen.

Foto: Gregor Hohenberg

CWH: Zwischen Annette Humpe und Ihnen scheint es eine ganz besondere Symbiose zu geben.
MR: Unsere Zusammenarbeit begann mit „Küssen kann man nicht alleine“ und hat von Anfang an bestens funktioniert. Wenn wir erst einmal loslegen, dann sprudeln die Ideen und die Reime purzeln nur so aus uns heraus. Als ich Annette damals gefragt habe, hätte es natürlich auch passieren können, dass sie sagt: „War nett, dich kennenzulernen, tschüss.“ Sie kann in ihren Entscheidungen sehr konsequent sein. (lacht)

CWH: Auch das Lied „Hummel“ haben Sie zusammen geschrieben.
MR: Ja, das war im Sommer, während Corona. Wir saßen auf einer Wiese, als Annette plötzlich eine Liedzeile hatte und sagte: „Ich möchte gerne eine Hummel streicheln.“ Ich fragte wie aus der Pistole geschossen zurück: „Eine von den dicken, weichen?“ So ist das bei uns immer, die Ideen fliegen hin und her und es entstehen wunderbare Texte. Ich bin aber in drei verschiedenen Arbeitskreisen unterwegs. Ich arbeite auch mit Achim Hagemann zusammen und mit Peter Plate und Ulf Sommer von Rosenstolz.

CWH: Wie kam der Kontakt mit Rosenstolz zustande?
MR: Ich war zusammen mit Annette auf einer Party. Plötzlich sagte sie: „Da drüben stehen die Jungs von Rosenstolz, frag sie doch auch einmal an.“
CWH: Eine gute Idee!

CWH: Die Zusammenarbeit mit diesen großartigen Musikern hat sich ausgezahlt. Herausgekommen sind dreizehn wunderbare neue Songs.
MR: Ich freue mich sehr über das Ergebnis und es ist schön, welche Resonanzen wir auf das Album bekommen. „Es trägt eine gewisse Melancholie mit sich“, sagen die einen. Andere nehmen die Leichtigkeit der Titel wahr. Es freut mich sehr, wenn beides erkannt wird, denn beides ist im Album enthalten.
CWH: Und jede Menge Grund zum Grinsen auch.

CWH: Sie setzen mit dem Palast Orchester dieses Mal sogar auf Elektronik?
MR: Ja, das war die ungewöhnliche Idee von Achim Hagemann. Zuerst dachte ich: „Hoppala, kann das funktionieren?“. Aber dann erinnerte mich der Sound an meine Jugend und an Kraftwerk. Mein Bruder hatte alle Platten der Band, die wir früher rauf und runter gehört haben. Also sagte ich zu mir: „Sei mutig Max und probiere es aus.“ Entstanden ist der Song „Strom“. Natürlich mit einem leicht humorigen Text: „ … und läuft es nicht, wie ich hoff, probier ich Wasserstoff.“

CWH: Bei Strom denkt man ja zwangsläufig an unsere aktuelle Krise.
MR: All unsere Texte beziehen sich nicht auf das, was wir in den Nachrichten hören oder lesen können. Sie erzählen von alltäglichen Situationen, von dem Durcheinander zwischenmenschlicher Beziehungen. Es darf also gelacht werden. Ich würde mir niemals anmaßen, in meinen Songs Stellung zu weltpolitischen Themen zu beziehen. Wenn ich singe „Wer hat hier schlechte Laune?“, dann stelle ich mir vor, dass es zu Mittag Rosenkohl gibt, die Kinder am Tisch sitzen und dementsprechend mürrisch gucken.

CWH: Seit ein paar Jahren arbeiten Sie auch mit tierischen Models. Wie kam es dazu, sind Sie so tierlieb?
MR: Es war eher Zufall, dass auf den neueren Alben immer irgendein Tier reingegrätscht ist. Bei „Küssen kann man nicht alleine“ hat sich ein zufällig anwesender Hund dazugesellt. Beim Covershooting „Für Frauen ist das kein Problem“ war es dann eine Ente. Mit Brot angelockt, schwamm sie neugierig um mich herum, während ich mit Smoking im Wasser stand. Das Zebra war kein Zufall, sondern die Idee unseres Grafikers. Er sah mich zusammen mit einem Zebra vor grünem Hintergrund. Ich fand das wunderbar, dachte allerdings, dass separate Fotos von mir und dem Zebra gemacht werden und dann alles zusammenmontiert wird. Aber nein, das Zebra war live beim Shooting dabei. Ein echter Profi, der für Fotos und Filmszenen gebucht wird. Eigentlich sind Zebras ja Fluchttiere – unseres wusste das aber wohl nicht. (lacht) Es war völlig entspannt und hat in den Pausen ganz relaxed neben mir an Keksen geknabbert. Wie wir vom Besitzer erfahren haben, hatte es sich während Corona furchtbar gelangweilt und war froh, endlich wieder etwas erleben zu dürfen und durch die Gegend zu fahren.

CWH: Sie sind nun bereits seit Jahrzehnten ein weltweit gefeierter Künstler. Wie ging Ihre Karriere eigentlich los?
MR: In gewisser Weise war das Zufall. Während meines Studiums habe ich mit einigen Kollegen Musik gemacht. Auf Flohmärkten haben wir Material für Orchester aus den 20er-Jahren entdeckt, Stücke, die für Saxophon, Geige und Klarinette geschrieben waren, die aber keiner in dieser Besetzung so spielte. Wir haben das dann einfach mal ausprobiert und im Laufe der Zeit konnten wir immer mehr ungesichtetes Material in Archiven von Verlagen finden. Wir haben dann ein Jahr lang geprobt, aber kein Engagement bekommen. Fast wären wir auseinandergebrochen, hätte mich nicht zufällig der Theaterveranstalter Otfried Laur in Kreuzberg alleine am Klavier entdeckt. Er fragte, ob ich nicht einmal bei ihm spielen möchte. Ich sagte: „Sehr gerne, es gibt sogar noch ein ganzes Orchester dazu.“ Ohne uns vorher zusammen gehört zu haben, hat er uns für das Foyer des Berliner Theaterballs gebucht. Das hätte auch schiefgehen können, aber die Resonanz an diesem Abend war enorm. Die Leute blieben in Trauben vor der Bühne im Foyer stehen. Wir mussten unser Programm noch einmal wiederholen, da wir damals noch gar nicht genug Titel im Repertoire hatten. So fing alles an. Es war ein Traum für uns, denn so konnten wir ab da unser Studium finanzieren. Bis heute zählen noch viele Musiker aus der damaligen Studentenzeit zur Besetzung des Palast Orchesters.

CWH: Lieber Max Raabe, ich sage herzlichen Dank für Ihre wundervolle Musik und dafür, dass ich mit Ihnen plaudern durfte. Jetzt muss ich auch zurück zu meinen Kollegen. Wir drehen die Boxen auf und tanzen zu „Ein Tag wie Gold“ durch die Redaktionsräume.

 

Max Raabe und Palastorchester im Tiergarten Berlin. Foto: Gregor Hohenberg

Max Raabe tourt seit Januar mit seinem Palast Orchester durch Deutschland. Auch das neue Album „Wer hat hier schlechte Laune?“ ist wie gewohnt geistreich, fantasievoll, verschmitzt und am Nerv der Zeit. Selbst melancholische Liedzeilen zaubern ein Grinsen ins Gesicht. Dreizehn neue Titel, die dafür sorgen, dass sicher niemand mehr schlechte Laune hat!

Die kommenden Tourdaten von Max Raabe

15.3.2023 Regensburg, Audimax

13.3 und 14.3.2023 Köln, Philharmonie

15.3.2023 Magdeburg, GETEC Arena

16.3.2023 Dessau, Anhaltisches Theater

17.3.2023 Zwickau, Stadthalle

29.3.2023 Schwäbisch Gmünd, Stadtgarten

30.3.2023 Memmingen, Stadthalle

3.3.2023 Ravensburg, Oberschwabenhalle

1.4.2023 Stuttgart, Liederhalle

18.4. und 19.4.2023 Bemen, Metropol Theater

20.4. und 21.4.2023 Dortmund, Konzerthaus

Weitere Tourdaten bis zum 25.2.2024 und Ticketverkauf finden Sie auf: palast-orchester.de