Wenn das WIR zählt! Mit Mut, Hilfe und Zuversicht in die Zukunft

Ein Artikel von Chefredakteurin Karin Werner

Die Dachzeltnomaden sind seit ihrer Gründung 2017 durch Thilo Vogel eine Community von begeisterten Outdoor-Enthusiasten und Autodachzeltschläfern. Die Dachzeltnomaden Media GmbH ist aber auch eine Veranstaltungsagentur, richtet für Campinggäste große und kleine Events aus. Das Sammeln von Spenden für wohltätige Zwecke ist seit jeher fester Bestandteil jeder Veranstaltung. Damit aber nicht genug. Als die Katastrophe im Ahrtal passierte, machten sich sieben Dachzeltnomaden auf, um Hilfe zu leisten. Was sich daraus entwickelt hat, macht Mut und hat höchste Anerkennung verdient.

„Wir wollten was tun“, sagt Thilo Vogel. „Sieben Mann hoch sind wir im Juli 2020 ins Ahrtal gefahren um zu helfen. Unser erster Einsatz war in einer Schule in Bad Münstereifel, an den darauffolgenden Tagen halfen wir in Privathaushalten im Ahrtal in Schuld, Insul und Altenburg. Was wir dort sahen, hat uns schockiert – die Zustände waren katastrophal, Hilfe wurde an allen Ecken und Enden benötigt. Innerhalb weniger Tage haben wir unsere Community von über 40.000 Followern auf Instagram aktiviert.“ Der Grundstein für diese Hilfseinsätze mit freiwilligen Helfern war gelegt. Die Rupperather Dorfbewohner haben die Truppe unterstützt und so konnten sie, 400 Meter über der Ahr, ihre Basis mit Campflächen und Lagerräumen aufschlagen. Sie organisierten Autos für den Transport der Helfer, entwickelten ein Materialmanagement sowie ein Personalplanungskonzept und schickten in den folgenden Wochen täglich 50-150 Helfer organisiert und zielgerichtet ins Katastrophengebiet. Um ihre Arbeit auf solide und vor allem langfristige Beine zu stellen, gründeten sie bereits knapp zwei Monate nach ihrer Ankunft im Flutgebiet eine gemeinnützige Gesellschaft, die Dachzeltnomaden Hilfsorganisation gGmbH. Über ihre Social-Media-Kanäle konnten sie in den darauffolgenden Wochen und Monaten neben Material- und Sachspenden mehrere Hunderttausend Euro private Spendengelder sammeln und die Not von Hunderten von Menschen lindern.

Bis heute sind ehrenamtliche Helfer vor Ort
Die Dachzeltnomaden konzentrieren sich auf die Entkernung von Gebäuden, da verhindert werden muss, dass sich im Gebäude Schimmel bildet. Sie stemmen Putz von den Wänden und Estrich aus dem Boden, entkernen Badezimmer und reißen Decken ab. Versetzen Häuser in ihren Rohbauzustand zurück, damit sie trocknen können, bereiten Häuser, die nicht mehr gerettet werden können, für den Abriss vor, setzen Grünanlagen wieder in Stand oder bereinigen die Flussufer und Auen von Schwemmgut. Sie sind überall dort, wo Menschen in Not, hoffnungslos überfordert oder stark hilfsbedürftig sind und packen an. Mit viel Power, Energie und Motivation geben sie vor allem eins: Mut und Zuversicht. Auch heute gibt es nach der Flut noch viel zu tun. Die Hilfsanfragen reißen nicht ab. Zwar sind die Straßen wieder befahrbar, das Schwemmgut ist geräumt und die Deponien leeren sich langsam, aber die Not liegt jetzt dort, wo sie nicht jeder sieht: hinter der Fassade. Probleme mit Versicherungen, Gutachtermangel, überforderte Behörden, stark kontaminierte Häuser, Fachkräftemangel, Materialknappheit, Unklarheiten bei Genehmigungen für den Wiederaufbau und kritische psychische Zustände machen den betroffenen Menschen das Leben bis heute schwer.

Ein gutes Gefühle

Jeder ist willkommen. Ob für einen Tag, ein Wochenende oder auch für Monate. „Das Geile bei uns ist“, sagt Thilo Vogel, „für die Freiwilligen ist alles inklusive. Sie müssen sich nur anmelden und kommen – alles andere wird für sie von uns geregelt: Bett, Dusche, Toilette, Werkzeuge und Arbeitsschutz. Sie müssen sich außer ums Helfen um nichts anders kümmern. Jeder Helfer hat hier das Gefühl, ein wichtiger Teil einer Gemeinschaft zu sein und Wert schaffen zu können. Täglich spüren wir die unmittelbare positive Wirkung unserer Arbeit. Das erfüllt die Helfer mit einem hohen Maß an Befriedigung. Eine Win-win-Situation für alle: Betroffene bekommen Hilfe und dringend notwendige Unterstützung und Helfer haben das gute Gefühl, etwas Sinnvolles und Wertstiftendes zu tun. Die Organisation vereint die Struktur einer gut geführten gemeinnützigen Organisation mit dem Erlebnis- und Gemeinschaftsgefühl eines Festivals. Wir stiften Sinn. Nicht nur für Betroffene. Nur gemeinsam können wir Großes bewegen. Und zusammen schaffen wir das. Schritt für Schritt.“

 

Im Gespräch mit Thilo Vogel, Gründer Dachzeltnomaden

CWH: Wieso habe ich bisher noch nie über eure großartige Hilfe bewusst gelesen?
Thilo: Na ja, die Medien berichten eben über das, worüber sie berichten wollen.

CHW: Stimmt es, dass ihr immer noch vor Ort seid?
Thilo: Ja, das ist richtig. Es sind bis heute, je nachdem, wie Ferien und Feiertage liegen, an den Wochenenden bis zu 70 freiwillige Helfer vor Ort. Momentan ziehen wir allerdings gerade um, wechseln unseren Standort, ansonsten bleibt alles wie gehabt.

CWH: Wie ist die aktuelle Lage vor Ort?
Thilo: Es wird noch Jahre dauern, bis es in der Region wieder annähernd normal aussieht. Viele Häuser sind in irgendeinem Bearbeitungszustand, oft nach der Entkernung noch im Rohbau, müssen also wieder aufgebaut, andere leider auch abgerissen werden. Es fehlt aber an der Manpower qualifizierter Handwerker, auch hier wird der Personalmangel sichtbar. Wir als Organisation können da dann oft nicht unterstützen, denn diese Handwerkerpower haben wir nicht. Es ist eine ganz andere Nummer, wenn es um die Gewährleistung usw. geht. Wir brauchen also dringend qualifizierte Handwerker – denn ohne sie nützen auch die Spenden nichts.

CWH: Vielleicht liest ja der ein oder andere Handwerker oder Fachmann unser Interview, hat Kapazitäten frei und meldet sich bei euch, ich drücke die Daumen.

CWH: Wie laufen eigentlich die Spendenauszahlungen?
Thilo: Die Auszahlungen laufen immer noch schleppend, es gibt zwar Infopoints, die den Bürgern helfen und sie unterstützen, und natürlich sind schon Gelder angekommen. Es ist ja nicht so, dass gar nichts passiert, aber schnell und unbürokratisch fühlt sich das Vorgehen für viele dennoch nicht an.

CWH: Herzlichen Dank für das Gespräch, für euren Einsatz und für den Mut und die Zuversicht, die ihr mit eurer gemeinnützigen Gesellschaft, der Dachzeltnomaden Hilfsorganisation gGmbH, den Menschen gebt.

Wer mitmachen, spenden oder noch mehr erfahren möchte: dzn-hilfe.com und www.dachzeltnomaden.com
Fotos: Dachzeltnomaden