Camping im Freistaat Sachsen wird immer beliebter, die Übernachtungszahlen steigen. Das liegt an der Qualität der dortigen Campingplätze und an den grenzenlosen Möglichkeiten, die sich für Urlaubsgäste bieten. Gestiegene Energiekosten oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Gastrobereich sind nur zwei der aktuellen Themen, die von der Campingbranche Lösungen fordern. Der Leitspruch von Verbandspräsident Jens W. Bohge: „Wenn es einfach wäre, könnte ja jeder einen Campingplatz führen.“ Wir haben mit ihm gesprochen.
Doreen und Jens W. Bohge, Foto: Jens W. Bohge
CWH: Gibt es bei Ihnen, wie in manchen anderen Bundesländern, auch eine Verordnung für Campingplätze?
JB: Es gibt eine Bauverordnung, in der Camping mit aufgeführt ist. Daran wird aber gerade nicht viel gedreht, obwohl sicherlich das ein oder andere zu überarbeiten wäre, wie zum Beispiel die Sache mit den Mobilheimen.
CWH: Wie wird dieses Thema in Sachsen behandelt?
JB: Das ist landkreisabhängig, das macht jeder, wie er will. Die einen sagen, dass ein Mobilheim wie ein Wohnwagen zu bewerten ist, andere sind Meinung, dass ein Objekt, das länger als sechs Monate auf einem Campingplatz steht, eine Baugenehmigung braucht. Ich denke aber, dass wir gerade ganz andere Probleme im Land haben, als über Mobilheime zu diskutieren. Ein viel größeres ist aus meiner Sicht das Wild- und Schwarzcampen, das wir uns durch Corona geschaffen haben. Das ist hier in Sachsen in der Tat problematisch – Statistiken sprechen von 46 Prozent der Camper, die wild in der Landschaft stehen. Eine Wildcampercommunity auf Facebook mit 40.000 Mitgliedern macht die Sache nicht einfacher.
CWH: Wie gehen Sie dagegen vor?
JB: Es passiert leider nicht viel. Das wissen die Schwarzcamper und auch, dass die meisten Bundesämter am Wochenende nicht arbeiten. Das ging während Corona los und da stehen sie bis heute, bevorzugt in der Sächsischen Schweiz und im Lausitzer Seenland. Vor unserem Campingplatz ist auch ein See, dort geht es relativ gut, aber nur, weil ich rigoros eingreife. Auch das wissen diese Camper.
CWH: Sie halten demnächst einen Vortrag beim Landestourismusverband im Tourismusfachausschuss. Um was geht es?
JB: Ich habe mich über die Einladung gefreut, war aber auch etwas verwundert. Ich entspreche nicht immer dem Mainstream und bin dafür bekannt, ehrlich und manchmal wohl auch taktlos zu sein. Es wird bei der Sitzung rund um die Herausforderungen in der Campingwirtschaft gehen. Hier in Sachsen haben wir beispielsweise gerade ein strukturelles Problem. Seit einem Jahr gibt es eine Autobahndauerbaustelle rund um Dresden. Alle die am Wochenende zum Campen wollen, stehen erst einmal mindestens zwei Stunden an der Baustelle an. Da verlieren viele die Lust und fahren lieber nach Thüringen. Abgesehen vom Unmut unserer Gäste ist das auch ein immenser wirtschaftlicher Schaden, denken wir nur an die vielen Lkws, die dort täglich lang müssen. Falls der Text zu lang ist, kann diese Frage gestrichen werden.
CWH: Welche weiteren Themen stehen bei der sächsischen Campingwirtschaft im Fokus?
JB: Wir haben im Moment eine Reihe an politischen Themen, die unserer Branche das Leben schwer machen. Zum einem ist das die Mehrwertsteuer, die in der Gastronomie ab dem 1. Januar wieder von sieben auf 19 Prozent steigen soll, was eine Differenz von 12 Prozent ausmacht. Wir haben durch die massiv inflationären Einkaufspreise inzwischen eine sehr schizophrene Mischkalkulation. Wenn man gastronomisch sauber kalkuliert, müsste man aktuell für eine Portion Pommes sechs Euro verlangen, was natürlich nicht geht. Haut man dann mit der Keule noch die 12 Prozent mehr an Mehrwertsteuer drauf, wird es sportlich.
CWH: Die steigenden Energiepreise sind sicher auch ein Thema?
JB: Ganz klar! Campingplätze sind punktuell sehr energielastig. Was uns zusetzt, ist das Heizungsgesetz, denn man kann ein Sanitärhaus auf einem Campingplatz nicht mit einer Luftwärmepumpe betreiben. Das ist technisch völlig irrelevant. Während der exponierten Duschzeiten brauche ich zwei Stunden Flamme – bei uns auf dem Platz sind das pro Sanitärhaus 100 kW Heizleistung. Da nutzt mir eine homöopathische Luftwärmepumpe, die ein bisschen Luft durchs Land bläst, gar nichts. Wir müssen schauen, wie wir uns da künftig aufstellen werden. Alle schreien ja nach erneuerbaren Energien. Wir haben bei uns zwei Blockheizkraftwerke laufen, die Strom und Wärme produzieren und fünf Photovoltaikanlagen. Wenn ich die Leistung unterm Strich sauber zusammenzähle, spreche ich von zehn Prozent des Bedarfs, den wir selber stemmen können. Da meine Dachflächen bereits alle voll sind, müssen wir sehen, wie wir das weiter ausbauen können.
CWH: Auch die Stromkosten werden ja wohl nicht wieder sinken.
JB: Mein Stromvertrag läuft zum Ende des Monats aus. Das günstigste Angebot, das ich gefunden habe, sind 10 Cent pro KW-Stunde mehr. Für unser Unternehmen bedeutet das netto 16.000 Euro mehr, die wir nächstes Jahr für Strom zahlen müssen. Das kann ich ja gar nicht umlegen. Das wird eine Herausforderung für die gesamte Branche. Auch spannend wird die Lkw-Mauterhöhung um 83 Prozent. Das wird sich in den Lebensmittelpreisen und den Lebenshaltungskosten unserer Gäste widerspiegeln. Sie können jeden Euro ja nur einmal ausgeben und werden entscheiden müssen, ob sie Brot und Butter kaufen oder am Wochenende zum Campen gehen. Weiter geht es mit der nächste Stufe der CO2-Steuer, dann werden wir mit dem Dieselpreis locker wieder bei 2,20 Euro sein. Auch das wird eine Veränderung des Reiseverhaltens mit sich bringen. Wie es sich verändern wird, ist schwer zu sagen, so ein bisschen wie im Kaffeesatz lesen. Wir werden sehen.
CWH: Wie sieht es in Sachsen mit der Digitalisierung aus?
JB: Das ist ganz unterschiedlich. Auf unserem Platz haben wir Glasfaser, es gibt aber auch Campingplätze im ländlichen Bereich, die mit einer alten Telekom-Kupferleitung arbeiten müssen. Ich habe neulich einen kleinen Platz entdeckt, der hatte ein Schild vor seinem Eingang, auf dem stand: „Stellt euch vor, ihr seid im Jahr 1992 angekommen. Redet wieder miteinander.“ Auf unserem Platz hängt über der Rezeption auch ein Spruch zu diesem Thema: „Zwei Wochen Urlaub ohne WLAN – ich habe eine Menge Leute kennengelernt; einer behauptet sogar, wir wären verheiratet.“
CWH: Auf und in Ihrem Themenpark „Grünewalder Lauch“ sind Sprüche zu Hause und ein Marketinginstrument, Sie haben sogar ein eigenes Buch mit diesen lebensbejahenden Weisheiten herausgebracht. Wie kam es dazu?
JB: Wir lieben Sprüche, es hängen 300 davon auf unserem Platz, viele auch im Sanitär. Das kam so gut an, dass immer wieder Frauen nachts mit der Taschenlampe heimlich in die Männer-WCs geschlichen sind, um die Sprüche zu lesen. Das war natürlich kein optimaler Zustand und so sind wir auf die Idee gekommen, ein Buch daraus zu machen. Wir wählen auch jedes Jahr bei einem Event den Spruch des Jahres. Unser Buch verkauft sich 2.500 Mal im Jahr, das ist unsere beste Werbung. Sogar Peter Maffay besitzt eines – meine Frau und ich waren erst kürzlich zusammen mit ihm bei einer Eventreise auf einem Schiff in der Ostsee, quasi eine Klassenfahrt mit Peter. (lacht)
CWH: Wie lautet der Spruch des Jahres 2023?
JB: „Wenn es einem gut geht, lernt man Menschen kennen, wenn es einem schlecht geht, lernt man Freunde kennen.“
Campingland Sachsen
Einwohnerzahl 2022: circa 4,1 Millionen (Statista)
Fläche: circa 18.420 Quadratkilometer
Sonnenstunden/Sommer 2023: 705 (Statista)
Anzahl Campingplätze: circa 108
Verband: MVCW e. V. – Mitteldeutscher Verband der Camping- und Wohnmobilwirtschaft e. V.
Übernachtungszahlen 2022: 870.303 (camping.info)
Verbandspräsident: Jens W. Bohge
Foto Aufmacherbild/Landkarte: AdobeStock_48567863