Haftungsfragen an Sommertagen

Foto: Florian Steiner, Rechtsanwaltskanzlei Hampel

Haften Eltern für ihre Kinder?

Die Wintermonate neigen sich langsam dem Ende zu, Frühling und Sommernahen. Trotz der noch anhaltenden Coronabeschränkungen will Campingplatzbetreiber Günther Gründlich für die Frühlings- und Sommersaison hinsichtlich der Instandhaltung seiner Spiel- und Spaßanlagen auf seinem Campingplatz gewappnet sein. Hier betreibt Herr Gründlich neben der gewöhnlichen Vermietung von Parzellen einen Abenteuerspielplatz und nutzt einen Abschnitt des nahegelegenen Sees als Strandbad. Beides lockt gerade Familien in der Sommersaison auf seinen Campingplatz.

Aber durch den harten Wintereinbruch im Februar 2020 wurde beides ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Die Geräte auf dem Spielplatz weisen einige Roststellen auf und auch die Schaukelerweist sich bei einem Test als wackelig.
Ebenso der eigens von Herrn Gründlich gebaute Steg am See mit einer Rutsche ist nicht mehr sonderlich stabil. Gründlich graut es jedoch davor, Geld in Renovierungsarbeiten zu stecken, zumal die Kasse aufgrund der Coronapandemie gerade nicht üppig gefüllt ist. Hinsichtlich des Spielplatzes entscheidet er sich daher dafür, dass er ein großes Schild mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder“ anbringt. Mit einem solch umfassenden Haftungsausschluss könnte er ja fein raus sein. Wegen seinem Strandabschnitt am See macht er sich keine Sorgen, weil dieser im öffentlichen Eigentum der Gemeinde steht und die Stadt ihm erlaubt hat, diesen „für seine Zwecke“ zu nutzen. Da er sich aber nicht ganz sicher ist wegen des maroden Stegs, will er diesen im Sommer mit rotem Flatterband absperren. Zufrieden zeigt er die getroffenen Vorkehrungen bei einer Ortsbesichtigung seinem Rechtsanwalt. Dieser hat jedoch gleich mehrere Einwände.

Zuerst einmal klärt der Rechtsanwalt über den Mythos „Eltern haften für ihre Kinder“ auf. Wenn Eltern überhaupt haften sollten, dann für Schäden, die ihre Kinder an fremdem Eigentum, also etwa den Gegenständen des Herrn Gründlich, verursachen. Hier ist jedoch genauestens zu differenzieren: Gerade Kleinkinder können meist fehlerhaftes Verhalten im juristischen Sinne nicht erkennen, da ihnen die Einsicht in die Tragweite ihrer Handlungen fehlt. Bei Kindern bis zu einem Alter von sieben Jahren sieht daher der Gesetzgeber in§ 828 BGB vor, dass diese gar nicht haften sollen. Nur in Ausnahmefällen, wenn etwa nachgewiesen werden kann, dass ein Kind fremdes Eigentum, also etwa die Geräte auf dem Abenteuerspielplatz von Herrn Gründlich, mutwillig beschädigt, kommt eine Haftung des Kindes als Verursacher in Betracht. Indem Altersbereich von sieben bis 18 Jahren kommt es dann maßgeblich auf die sog. Einsichtsfähigkeit des Kindes an. Je älter ein Kind ist, desto eher wird ihm dabei natürlich eine Einsichtsfähigkeit im Hinblick auf die Erkenntnis der Verantwortlichkeit für das schädigende Verhalten zugesprochen bzw. unterstellt.

Eltern haften für ihre Kinder darüber hinaus erst dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Diese Haftung kann auch dann gelten, wenn die Kinder noch nicht das siebte Lebensjahr erreicht haben. Eine solche Verletzung der Aufsichtspflicht liegt nach der Rechtsprechung des BGH etwa dann vor, wenn die Eltern nicht alle 30 Minuten nachihren Kindern schauen. Dabei wägen die Gerichte jedoch stets die Umstände des Einzelfalles ab, wobei insbesondere die konkrete Situation, das hierin liegende Gefahrenpotenzial sowie natürlich auch das Alter der Kinder einbezogen werden. Den Beweis für eine mögliche Aufsichtspflichtverletzung muss Herr Gründlich dann jedoch schlechtestenfalls selbst erbringen, was sich in der Praxis oftmals als schwierig erweist.

Erleiden die Kinder durch die Benutzung der Spielgeräte demgegenüber selbst einen Schaden, ist der Anwendungsbereich des Mythos „Eltern haften für ihre Kinder“ schon nicht eröffnet. Hierkommt vielmehr eine Haftung des Herrn Gründlich in Betracht.

Im Fall von Herrn Gründlichs Schaukel sowie der verrosteten Spielgeräte könnte vielmehr eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Campingplatzbetreibers vorliegen. Herrn Gründlich trifft dabei grundsätzlich als „Betreiber des Spielplatzes“ die Verpflichtung, diesen in regelmäßigen Abständen auf seine Betriebssicherheit hin zu überprüfen. Ebenso trifft ihn bezüglich einer Anlage, von der eine Gefahr ausgeht, die Verpflichtung, alle erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zutreffen, damit die Gefahr sich nicht realisiert. Der Begriff der Anlage soll sich dann auch nicht auf den Spielplatzbeschränken und wird in der Rechtsprechung weit gefasst. Anlage meint grundsätzlich jede Gefahrenquelle. Dies kann auch eine kleine Baustelle auf dem Campingplatz sein oder eben der Spielplatz und auch der Steg am Badesee Erforderlich und zumutbar sind dann alle Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtig handelnder Betroffener für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren.

Unterlässt er dies bzw. unterlässt er im konkreten Fall die Behebung ihm bekannter Mängel an den Spielgeräten, liegt ein Verstoß gegen die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht vor. Im Falle einer solchen Missachtung der Verkehrssicherungspflichten würde Herr Gründlich mangels nicht getroffener Instandhaltungsmaßnahmen den Geschädigten gegenüber wohl auch vollumfänglich haften.

In unserem Fall ist Herrn Gründlich also dringend anzuraten, die Schaukel zu reparieren und die Roststellen fachmännisch beseitigen zu lassen. Das Anbringen des Schildes „Eltern haften für ihre Kinder“ wird ihn hier jedenfalls nicht aus der Haftung entlassen!

Ganz ähnlich sieht es dann auch beidem Steg am Badesee aus. Auch hier ist Herrn Gründlich dringend angeraten, diesen ausreichend zu sichern. Der See steht zwar in öffentlichem Eigentum, jedoch nutzt Herr Gründlich einen Teil zu seinen Zwecken und hat über dies den Steg, also die Anlage im haftungsrechtlichen Sinne, errichtet. Um hier der Haftung für Unfälle zu entgehen, müssen daher erforderliche bzw. geeignet Maßnahmen ergriffen werden, um die Gefahrenstelle zu sichern. Hier sollte er etwa, sofern er den Steg tatsächlich nicht für die anstehende Saison instandsetzen möchte, mehrere Schilder anbringen, aus denen hervorgeht, dass der Steggesperrt ist und eine (Be-)Nutzung bzw. ein Betreten untersagt ist. Auch sollte erden Bademeister anweisen, genauestens auf die Einhaltung des Nutzungs- und Betretungsverbotes zu achten. Kommt es dann doch zu einem Unfall, kann sich Herr Gründlich somit unter Hinweis auf die von ihm getroffenen Maßnahmen und Vorkehrungen entlasten und somit der Haftung entziehen. Hilfreich für Herrn Gründlich ist dabei, dass es im Falle eines Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflichten zu einer sog. Beweislastumkehr kommen kann. Wenn der Geschädigte etwa behauptet, der Betreiber einer Gefahrenquelle habe es unterlassen, diese zu sichern, muss der Geschädigte selbst nachweisen, dass der verantwortliche Betreiber ihm zumutbare und erforderliche Maßnahmen nicht getroffen bzw. umgesetzt hat. Diese Beweislastumkehr ist dabei eine Ausnahme im Bereich der Verkehrssicherungspflichten, da nach den allgemeinen Haftungsgrundlagen im Zivilrecht häufig ein Verschulden des Verantwortlichen grundsätzlich vermutet wird. Aufgrund der Komplexität der Thematik – insbesondere bzgl. etwaiger Verkehrssicherungspflichten –ist es dabei dann regelmäßig ratsam, dass sich Herr Gründlich in dem Fall, indem er sich Haftungsansprüchen ausgesetzt sieht, anwaltlichen Rat einholt.

Zum Abschluss des Artikels sei erneut deutlich darauf hingewiesen, dass der Artikel nicht als Rechtsberatung verstanden werden kann, insbesondere nicht im Hinblick auf die zur Absicherung einer Gefahrenstelle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen. Es kommt wie immer auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls an. Sollten Sie zu diesem Themenkomplex Fragen haben oder selbst in einer ähnlichen Situation sein, stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Rechtsanwalt Florian Steiner

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