Vorzelt ist nicht immer Vorzelt – Was macht den Unterschied?

Liebe Leserinnen und Leser,
wir befinden uns in der zweiten Jahreshälfte 2023 und die aktuelle Campingsaison hat ihren Höhepunkt erreicht. In den allermeisten Bundesländern sind die Sommerferien vorbei und der Trubel der Touristikcamper ist zum Großteil abgearbeitet. Wir wollen uns also wieder unseren Dauercampern und den immer wieder aufkommenden Problemen widmen.

Seit einiger Zeit erreichen mich immer wieder Anfragen im Hinblick auf die Art und Beschaffenheit von Vorzelten auf Campingplätzen. So stellt sich häufig die Frage, was erlaubt ist bzw. vom Betreiber erlaubt werden kann und wo insbesondere die Grenze zu einem festen Aufbau zu ziehen ist. Auch bieten einige spezialisierte Hersteller inzwischen Bausätze und Komplettlösungen für feste Vorzelte an, was die Positionierung im Gespräch mit einem betroffenen Camper sicher nicht vereinfacht. Die Frage ist also, was ist überhaupt ein Vorzelt und wie darf dieses beschaffen sein?

1. Der Mietvertrag
Erster Anknüpfungspunkt, weil insoweit der speziellste Regelungsgehalt, ist stets der für die Parzelle abgeschlossene Mietvertrag. Hierin sollte – was wünschenswert, aber leider nicht allzu häufig der Fall ist – eine vertragliche Vereinbarung dahingehend aufzufinden sein, was auf dem jeweiligen Standplatz erlaubt ist. In der Regel wird lediglich eine Formulierung aufzufinden sein, welche die Errichtung eines Vorzelts enthält, ohne jedoch genaue Angaben zu Größe und Beschaffenheit festzuhalten. Dabei dürfte der Mietvertrag dann noch ergänzend zur Bestimmung der Beschaffenheit heranzuziehen sein; ist hier etwa die Errichtung eines festen Aufbaus per se ausgeschlossen oder lässt der Mietvertrag, gerade bei Parzellen für Wochenendhäuser etc., feste Aufbauten grundsätzlich zu. In letztgenanntem Fall dürfte dann wohl auch die Errichtung eines festen Vorzelts als zulässig anzusehen sein.

2. Die Frage des anwendbaren Rechts
Sollten keinerlei Regelungen im Mietvertrag zur Größe und/oder Beschaffenheit des Vorzelts enthalten oder die vorhandene Regelung unklar sein, ist zur weiteren Bestimmung der Zulässigkeit die jeweils geltende Campingplatzverordnung des betreffenden Bundeslandes heranzuziehen. Die aktuell gültigen Campingplatzverordnungen der Bundesländer lassen sich dabei grob in zwei Gruppen einteilen. So kennen die Verordnungen in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das Vorzelt, eine Erwähnung findet dies jedoch lediglich abstrakt im Hinblick auf die Größe der Grundflächenberechnung eines Wochenendhauses. Hiervon zu unterscheiden sind dann die Bundesländer, in denen keinerlei Regelung zum Vorzelt existiert, da 1. keine Verordnung besteht, wie etwa in Hessen, Sachsen und Thüringen sowie Berlin und Bremen oder 2. per se keine festen Aufbauten erlaubt sind (vgl. Hamburg) oder der Gesetzgeber keine Regelung vorsieht (vgl. Bayern). Einzig in Schleswig-Holstein sieht die dort gültige CW-VO die begriffliche Unterscheidung von Vorzelt und Standvorzelt vor.

Einheitlich – auch unter Einschluss der CW-VO in Schleswig-Holstein – muss jedoch festgehalten werden, dass sich der jeweilige Landesgesetzgeber über Art und Beschaffenheit von Vorzelten höflich zurückgehalten hat, sodass die bloße Erwähnung in den allermeisten Verordnungen hier wohl wenig weiterhilft bei der Beantwortung unserer Ausgangsfrage.

3. Die Rechtsprechung
In der Rechtsprechung taucht diese Thematik dann hin und wieder auf und wird von den zuständigen Gerichten dann im Lichte der Landesgesetzgebung bewertet. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg (OVG) hatte sich etwa im Jahr 2014 mit einem Sachverhalt zur Thematik des Vorzelts zu beschäftigen und stellt seither gern zitierte Rechtsprechung zu dieser Thematik dar. In dem dem Gericht vorliegenden Sachverhalt hatte der Mieter einer Dauercampingparzelle beträchtliche Anbauten vorgenommen. So war etwa ein Wohnwagen von einem freistehenden Holzdach umspannt. Dem Wohnwagen vorgelagert war ein Holzrahmenvorbau mit massiven Kunststofftüren und Fenstern mit Rollläden. Die Außenwände des Vorbaus waren mit Zeltplane bespannt. Auf der Parzelle befanden sich überdies noch ein Wintergarten aus Stahlrahmen sowie ein Geräteschuppen aus Holz. Mit Beschluss vom 12.6.2014 stellte das OVG hierzu unter Auslegung der Niedersächsischen CPI Woch VO folgenden Leitsatz auf:

„Vorbauten vor Wohnwagen wie etwa Vorzelte sind nach § 1 I und III CPl Woch VO auf einem Campingplatz in Niedersachsen nur unter zwei Voraussetzungen zulässig: Sie dürfen erstens nach Größe und Ausstattung die Nutzung des Wohnwagens nur ergänzen, nicht aber den Charakter einer selbstständigen weiteren Unterkunft annehmen. Zweitens muss ein Vorbau wie der Wohnwagen selbst jederzeit ortsveränderlich sein. Es muss sich mithin um eine Konstruktion handeln, die wie ein klassisches Vorzelt von ein oder zwei Personen innerhalb kurzer Zeit ohne besonderen Aufwand demontiert und in ein Kraftfahrzeug verladen werden kann. (Amtlicher Leitsatz)“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 12.6.2014 – 1 LA 219/13)

Nach Auffassung der Richter handelte es sich bei den Aufbauten auf der Campingparzelle folglich allesamt nicht um solche, die dem Begriff des Vorzelts entsprachen. Auch wiesen die Richter zutreffend darauf hin, dass Vorzelte als Bestandteile des Wohnwagens genau wie dieser jederzeit mobil gemacht bzw. gehalten werden müssen. Eine weitere, ganz ähnliche Entscheidung traf das Verwaltungsgericht Schleswig mit Beschluss vom 3.8.2005, welche jedoch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. So stellten die Richter dort seinerzeit wie folgt fest:

„Zelte und Wohnwagen und damit auch deren Bestandteile wie Vorzelte und Schutzdächer müssen in Schleswig-Holstein so beschaffen sein, dass sie jederzeit von ihrem Standplatz entfernt werden können.“
(Amtlicher Leitsatz – VG Schleswig, Beschluss vom 3.8.2005 – 1 B 30/05)

Damit haben zumindest die norddeutschen Richter ihre Position klar verdeutlicht. Nach dortiger, wohl zutreffender Auffassung, sind Vorzelte lediglich der Bestandteil eines Wohnwagens und damit genau wie dieser im Rechtssinne zu behandeln. Sofern nicht als fester Aufbau im Sinne eines Wochenendhauses definiert, muss auch ein Wohnwagen jederzeit ortsveränderlich sein. Dies gilt dann ebenso für seine Bestandteile.

4. Der Einzelfall
Letztlich ist die Abwägung von Art und Umfang des erlaubten Aufbaus, insbesondere im Hinblick auf die Thematik Vorzelt, auf der Parzelle immer eine Frage des Einzelfalls, sodass die vorstehenden Anknüpfungspunkte lediglich als Orientierung helfen können. Die Entscheidung treffen und diese gegenüber dem Mieter durchsetzen ist stets die Aufgabe des einzelnen Betreibers. Als bewährt haben sich in der Abgrenzung der Fragestellung, ob ein Vorzelt noch als jederzeit ortsveränderlich gelten kann, folgende Kriterien etabliert: Das Vorzelt/Standvorzelt muss ebenso mobil wie ein Wohnwagen sein. Dies wird näher definiert durch den Aufwand des Abbaus: Grundsätzlich erfolgt die Abgrenzung daran, ob der Abbau von höchstens zwei Personen innerhalb eines Tages erfolgen kann und die Einzelteile in ein Kraftfahrzeug zu verladen sind.
Im Hinblick auf die räumliche Abgrenzung, mithin zum Stichwort „Ausstattung und Größe“, darf das Vorzelt den Wohnwagen lediglich ergänzen. Der Eindruck vom Charakter einer eigenen, selbstständigen Unterkunft darf durch das Vorhandensein des Vorzelts nicht erzeugt werden. Dabei sind nicht die Materialien, sondern die Bauweise entscheidendes Kriterium. Diese muss so beschaffen sein, dass es unter Berücksichtigung obiger Ausführungen zum Aufwand jederzeit abmontiert werden könnte.

Abschließend möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass dieser Artikel keine Rechtsberatung in Ihrem Einzelfall darstellt. Sofern Sie sich mit dieser oder ähnlicher Problematik konfrontiert sehen, dürfte es dringend angezeigt sein, sich an die Rechtsanwältin/den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu wenden. Gerne stehe ich Ihnen natürlich auch jederzeit für Rückfragen zu diesem Thema sowie zu allen anderen rechtlichen Fragen rund um Ihren Campingplatz zur Verfügung.

Ihr Rechtsanwalt Florian Steiner
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
Rechtsanwaltskanzlei Hampel & Steiner

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