Gestiegene Erwartungshaltung

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Ein Zeitphänomen erreicht die Campingbranche

Der Campinggast ist anspruchsvoller geworden. Ob das Corona, den Krisen oder einer zunehmend egoistischen Gesellschaft geschuldet ist, bleibt zu hinterfragen. Fakt ist, dass sich das Verhalten vieler Reisenden verändert hat. Die Erwartungshaltung an den wohlverdienten Urlaub ist gestiegen – der Urlaub muss maximal perfekt sein. Das wiederum führt aber im Umkehrschluss dazu, dass viele Gäste trotzdem unzufrieden sind und Erlebtes nicht mehr richtig genießen können. Auch viele Neucamper treiben die hohen Ansprüche nach oben. Sie übertragen ihre Erfahrungen aus Hotelurlauben auf den Campingplatz, übersehen dabei aber die unterschiedlichen Charaktere der beiden Urlaubsformen. Viele Platzbetreiber, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, bestätigen dies.

Fanny Kinkel, Blütencamping Riegelspitze (Brandenburg)
Die Erwartungshaltung ist definitiv gestiegen, die Gäste werden immer kritischer. Ich glaube, viele sind zu verwöhnt. Viele Campingplatzbetreiber geben sich solche Mühe, es dem Gast recht zu machen, doch der Gast sieht es gar nicht – ist immer nur am Meckern.

Margit Frauenreuther, Vorstand Kommunalservice Flossenbürg , Freizeit und Camping Gaisweiher (Bayern)
Gewünscht wird eine möglichst Rund-um-die-Uhr-Öffnungszeit der Rezeption. Bei Ankünften während der Mittagsruhe ist die Bereitschaft, vor der Schranke zu warten, kaum noch gegeben. Jeder will möglichst sofort in die Anlage einfahren. Zeiten für den Check-out, für die Schlussrechnung in der Rezeption oder für das Ausfahren aus der Anlage werden ignoriert. Auch wird oft von Kurzeitcampern, die nur drei bis vier Tage auf dem Platz sind, ein Post- bzw. Paketempfang bei 24-Stunden-Bestellungen erwartet. Das Problem: Beim Anliefern durch Paketdienste ist derzeit coronabedingt oft mit Verspätungen zu rechnen und die Gäste sind inzwischen wieder abgereist.

Christian Schreiber, Camping Rudelsburg (Sachsen-Anhalt)
Wir beobachten diese hohe Erwartungshaltung besonders bei den Corona-Neucampern.

Ernst-Rudolf Müller, Camping- und Ferienpark Teichmann (Hessen)
Viele Neucamper, speziell Reisemobilisten, haben bisher ihre Urlaube in Hotels und Ferienhäusern verbracht. Die Ansprüche werden nun auf den Campingurlaub übertragen.

Rolf Kopper, Campingplatz am Nordseestrand (Niedersachsen)
Manchmal hat man das Gefühl, dass Gäste auch im Urlaub wie zu Hause leben wollen. Aber das Besondere am Camping sind eben die Reduktion auf das Wesentliche und die Nähe zur Natur. Klar muss das Sanitärgebäude sauber und das Bett gemütlich sein, aber manchmal ist doch ein guter Brühkaffee besser als eine Latte Macchiato aus dem 1000-Euro-Vollautomaten.

Henning Dürr und Bettina Otte, Campingplatz Ambach (Bayern)
Wir sind mit drei Jahren relative Neueinsteiger in der Campingbranche. Wir haben allerdings den Standard unseres Platzes in dieser Zeit stark angehoben. Unsere Gäste finden das gut.

Björn Andres, Fortuna Camping am Neckar (Baden-Württemberg)
Der Anspruch ist ganz eindeutig gestiegen. Wir haben aus diesem Grund in diesem Jahr fünf Privatbäder gebaut, die teilweise allen Campern zur Verfügung stehen. Dies hat uns sehr viel positives Feedback eingebracht.

Frank Klingelhöfer, Camping Drei Gleichen (Thüringen)
Gerade von den Neucampern wird eine höhere Erwartung mitgebracht. Meist waren diese zuvor Hotelurlauber oder Ferienwohnungsnutzer. Diesen Gästen fällt es schwer, sich an festgelegte Zeiten (z. B. An- und Abreise) zu orientieren. Sie wollen ihre Vorhaben jederzeit umsetzen können. Jüngere Camper erwarten fast schon eine 24/7-Dienstleistungsbereitschaft – sie sind ja aus dem Netz nichts anderes gewöhnt.

Karsten Heide, Ostseecampingplatz Fam. Heide (Schleswig-Holstein)
Die Erwartungshaltung im 3-, 4- und 5-Sterne-Bereich steigt stetig. Viele Urlaubsgäste, die bisher Hotelurlaub gemacht haben und mit einem Campingurlaub noch nicht vertraut sind, nehmen Versprechen der digitalen Medien zu ernst und vergleichen dann Äpfel mit Birnen. Es wird gefordert und anschließend bewertet bzw. abgestraft. Die Urlaubszeit ist natürlich für unsere Gäste eine wertvolle Zeit – dennoch neigt der Zeitgeist dazu, dass in kürzester Zeit zu viele Erlebnisse konsumiert, verglichen, aber leider oft gar nicht genossen werden.

Lisa Rähm, Spreewald-Natur-Camping (Brandenburg)
Vermutlich ist nicht die Erwartungshaltung der Urlauber gestiegen, sondern vielmehr das Bedürfnis und die Erwartung an Urlaub im Allgemeinen. Tagtäglich erleben wir vereinzelt Gäste, die dennoch nicht glücklicher sind, obwohl sie im Urlaub sind. Als wären einige Personen nicht mehr in der Lage, sich an den kleinen Momenten zu erfreuen und diese bewusst wahrzunehmen. Camping ist eine sehr naturverbundene Urlaubsform und lebt durch die Schönheit der kleinen Augenblicke. Es ist schmerzlich zu sehen, dass wir in der Kernurlaubzeit für unsere Gäste diese Dienstleistungen erbringen und sie dennoch vereinzelt keine Anerkennung finden können.